Niklas Stark und seine komplizierte Situation bei Hertha BSC
Fußballer besitzen in der Regel ein recht gutes Gespür dafür, wie es um ihr Standing bestellt ist. Insofern dürfte Niklas Stark am vergangenen Sonntag gar nicht mal allzu sehr überrascht gewesen sein, als er die Aufstellung von Hertha BSC für das Auswärtsspiel beim VfB Stuttgart erfahren hat.
Stark, 26 Jahre alt, seit 2015 bei Hertha, Nationalspieler und erster Vertreter von Kapitän Dedryck Boyata, stand beim Debüt des neuen Trainers Tayfun Korkut nicht in der Startelf. Das hatte es in dieser Saison erst einmal gegeben – als Stark verletzt war.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]
Dass es in Stuttgart so kommen würde, das konnte der Innenverteidiger zumindest ahnen. Nicht weil ein neuer Trainer gerne mal etwas ändert, allein um des Änderns willen. Sondern weil ein erfahrener Spieler wie Stark entsprechende Zeichen zu deuten versteht.
Seine erste Trainingseinheit überhaupt bei Hertha beendete Korkut mit einem Spiel „Elf gegen elf“, und während in der gegnerischen Mannschaft Boyata und Jordan Torunarigha die Zentrale der Viererkette bildeten, verteidigte Stark an der Seite von Kevin-Prince Boateng, einem Mittelfeldspieler. Boateng musste in der Abwehr aushelfen, weil niemand sonst mehr da war.
Auch in Stuttgart erhielt Torunarigha, der gerade erst aus einer Verletzung zurückgekehrt ist, den Vorzug vor Stark. „Es geht gar nicht um Vorzug“, erklärte Korkut nach dem 2:2-Unentschieden gegen den VfB. „Ich bin ja da, um Entscheidungen zu treffen. Und die Entscheidung ist so gefallen.“ In der Innenverteidigung sei ein Paar mit einem Rechtsfuß (Boyata) und einem Linksfuß (Torunarigha) immer besser als zwei Rechtsfüße, findet Herthas Trainer, „aber es muss nicht zwingend so sein“.
Stark kam in der Schlussphase doch noch
Niklas Stark ist immer noch Rechtsfuß, und da Boyata als Kapitän in der Mannschaft bleiben wird, stehen Starks Chancen auf einen Startelfeinsatz am Samstag gegen Bielefeld erst einmal nicht allzu gut. Allerdings ist er schon beim 2:2 in Stuttgart schneller ins Team zurückgekehrt, als Korkut das vermutlich geplant hatte. Knapp 20 Minuten vor dem Ende kam er für Torunarigha aufs Feld. Verletzt war Torunarigha nicht.
Kein Trainer wechselt gerne in der Innenverteidigung. Es sei denn eine Verletzung oder gravierende Verfehlungen auf dem Platz zwingen ihn dazu. „Wir haben das Gefühl gehabt, dass uns Niklas in den letzten Minuten helfen kann“, sagte Korkut. „Am Ende ist es ja gut aufgegangen.“
Mit Stark auf dem Feld stand Hertha defensiv stabil, das war zuvor nicht immer der Fall gewesen. Denn dass die Stuttgarter Diagonalbälle auf Herthas linke Abwehrseite nicht mehr Schaden angerichtet hatten, lag weniger an Torunarighas Sorgfalt und Aufmerksamkeit; es lag eher daran, dass die Empfänger dieser Diagonalbälle oft einen Tick im Abseits standen.
In jedem Spiel eine neue Abwehrkette
Insofern wird es spannend zu sehen sein, was Korkut gegen Bielefeld plant. Wird auch im 15. Spiel dieser Saison wieder eine andere Abwehrkette auflaufen als im Spiel zuvor? Die vielen Umstellungen vor allem in der Defensive waren zweifellos eines von Herthas Problemen in dieser Spielzeit. Gerade Stark aber hat noch einen vergleichsweise stabilen Eindruck hinterlassen, von allen Verteidigern vielleicht sogar den stabilsten.
Dass Korkut trotzdem bei erster Gelegenheit auf ihn verzichtet hat, ist schon bemerkenswert. Und es ist doppelt bemerkenswert, wenn man Starks Vertragssituation berücksichtigt. Nach dieser Saison läuft sein Vertrag aus. „Ich habe Freunde hier, kenne den Staff außen rum, das passt alles“, hat Stark im Sommer in einem Interview mit dem Tagesspiegel gesagt. Er hätte auch „nichts dagegen, irgendwann zu sagen: Nur Hertha, und das war’s.“
Danach sieht es derzeit eher nicht aus. Durch die Medien geistern bereits die Namen möglicher Interessenten, vor allem West Ham United aus der Premier League wird immer wieder genannt. Und dass der drohende Verlust eines Führungsspielers, noch dazu ablösefrei, Hertha in höchsten Alarmzustand versetzt, lässt sich nicht unbedingt behaupten.
Herthas Sportgeschäftsführer Fredi Bobic klingt recht entspannt, wenn man ihn zum Stand der Dinge befragt. Gespräche mit Starks Berater habe es bereits gegeben, „da sind wir im offenen, klaren, sehr ehrlichen Austausch“. Allerdings habe man sich erst einmal auf den Januar vertagt. „Wir werden sehen, wie die Situation insgesamt im Verein ist, in der Mannschaft“, sagt Bobic. „Und natürlich auch wirtschaftlich.“ Zu den Geringverdienern in Herthas Kader hat Niklas Stark ganz sicher nicht gehört.