Überraschungsteam im Berliner Pokal: Traktor auf großer Fahrt
Fast alle großen Namen des Berliner Fußballs sind noch dabei. Klar, es ist ja erst die zweite Runde im Landespokal, die am Wochenende ausgetragen wird. Auch ein paar Kreisligisten spielen noch mit. Und Traktor Boxhagen ist weiter dabei. Traktor wer?
Traktor Boxhagen! Das ist schon an sich ein klangvoller Name – und auch ein großer. Nicht für den Berliner Fußball-Verband (BFV), aber im eigenständigen VFF, dem Verband für Freizeit-Fußball in der Stadt. Den VFF gibt es seit den 1960er Jahren, inzwischen existieren viele Ligen auf Klein- und Großfeld. Wer in der obersten Klasse Meister werden will, muss etwas draufhaben.
Aktueller Meister ist: Traktor Boxhagen. Deswegen darf der Klub am Landespokal teilnehmen. Es mag im Freizeitfußball lockerer zugehen als in den Ligen des BFV, aber: „Wir sind keine Thekenmannschaft. Wir haben das Ziel, sportlich erfolgreich zu sein“, sagt Trainer Detlef Meißner.
Dieses Ziel erreichen die Traktoristen – so die Eigenbezeichnung – immer wieder. Zweimal wurden sie Berliner Meister auf dem Kleinfeld, nun hat es erstmals auf dem großen Platz zum Titel gereicht. Das Double war nahe, doch im Pokalfinale verlor Traktor 3:4 gegen den 1. FC PV (Pfarrverbund) Nord.
Die Niederlage nahm man sportlich. In einem Bericht auf der Homepage wünschte Traktor dem Gegner alles Gute für die Zukunft und: „Bedanken möchten wir uns bei allen Fans für eine tolle Saison, beim VFF und bei allen Schiedsrichtern – ihr seid alle knorke.“
Durchaus sportliche Ambitionen, aber im Vergleich zu anderen Vereinen ein geringerer Zeitaufwand mit nur einem Training pro Woche, dafür aber mit gemeinsamem Aufwärmen und Übungsformen und nicht nur ein bisschen Rumbolzen. Das macht Boxhagen auch für Spieler attraktiv, die höherklassig gekickt haben und es zum Teil jetzt immer noch könnten. Einer war mal in Ungarns Dritter Liga aktiv, andere in den USA am College, sogar Regionalligaerfahrung ist im Kader vorhanden.
Meißner glaubt, dass sein Team in der Kreisliga A oder Bezirksliga mithalten könnte. Der Erste Vorsitzende Stephan Trosiner spricht vom „oberen Drittel der Bezirksliga“. Das dürfte nicht zu hoch gegriffen sein. In der Qualifikation zum Berliner Landespokal gab es erst ein 1:0 gegen den FC British Lions, der zu dieser Saison aus dem Freizeitbereich in die Kreisliga C gewechselt ist. In Runde eins hat Traktor den Bezirksligisten FC Amed Mitte August 1:0 besiegt. Die „Fußball-Woche“ würdigte den Coup auf der Titelseite.
An diesem Freitag heißt der Pokalgegner BSV Hürtürkel, ebenfalls Bezirksligist. Gespielt wird um 19.30 Uhr in der Hauffstraße, unweit des S-Bahnhofs Nöldnerplatz. Meißner schätzt Hürtürkel stärker ein als Amed. „Wir sind der Underdog. Das muss nicht schlecht sein. Ich sehe trotzdem eine reelle Chance.“
„Wir sind der Underdog. Das muss nicht schlecht sein. Ich sehe trotzdem eine reelle Chance.
Detlef Meißner, Trainer von Traktor Boxhagen
Schließlich ist da noch der Heimvorteil. Auf dem „Hauffgrund“, wie die Traktoristen ihre Spielstätte nennen, hat das Team zuletzt zwei Saisons nacheinander stets die volle Ernte in Form von drei Punkten eingefahren. Etwa 100 Zuschauer werden erwartet, was ziemlich genau der Mitgliederzahl entspricht und für ein Team aus dem Freizeitbereich eine große Kulisse darstellt. „Freitagabend, Flutlicht, das zieht“, sagt Meißner.
Der 48-Jährige kam 2008 zum Klub, der mittlerweile vier Teams im Spielbetrieb hat. Damals war er noch als Torwart aktiv. „Das ist ein guter, weltoffener Verein. Ich bin froh, dass ich ihn gefunden habe“, sagt Meißner.
Noch länger ist Stephan Trosiner dabei. Nämlich von Anfang an. Er war einst zusammen mit seinem Bruder zu einer Gruppe gestoßen, die sich zum Hallenfußball traf und brachte die Idee auf, einen Verein zu gründen. Wie das geht? „Das wusste keiner so genau“, sagt der 54-Jährige.
Bei einem Turnier hörten sie vom VFF, holten sich Infos. Alle Gründungsmitglieder kamen aus der Ecke Boxhagener Platz in Friedrichshain, so war ein Teil des Namens schnell gesetzt. Dazu sollte es etwas sein, was ins Ohr geht. Fortschritt und Torpedo waren im Gespräch. Plötzlich sagte einer „Traktor“. An einem Sommerabend 2006 entstand auf diese Art der Verein.
Wenig später fand das erste Spiel statt, bei sehr hohen Temperaturen, in schwarzen Trikots. „Wir dachten, wir gewinnen dreistellig“, lacht Trosiner rückblickend. Hat nicht ganz geklappt, Endstand 3:8. Traktor musste erst in die Gänge kommen.
Der frühere Freizeitligist Polar Pinguin spielt in der Landesliga
Einige Klubs sind in den letzten Jahren vom Freizeitfußball unter das Dach des BFV gezogen. Bekanntestes Beispiel ist Polar Pinguin. Vor Jahrzehnten in einer Kneipe gegründet, spielt Polar seit 2015 beim BFV mit, ist seitdem vier Mal aufgestiegen, bis in die Landesliga. Auch vor dieser Spielzeit verließen einige Teams die Freizeitliga und treten in der Kreisliga C an. Die Neulinge Cono Sur und 1. FC PV Nord (Torverhältnis 26:0 nach drei Partien) führen dort ihre Staffeln an.
Boxhagen würde mit ziemlicher Sicherheit auch gut aussehen und den einen oder anderen Aufstieg feiern. „Wir haben mehrmals über einen Wechsel nachgedacht, uns aber letztlich dagegen entschieden. Irgendwann wäre Schluss“, begründet Trainer Meißner diese Entscheidung.
Sprich: Dann würde es nur noch mit deutlich mehr Training nach oben gehen. Und mit Spielern, die überzeugt werden müssten, zu Traktor zu kommen. Auch größere Sponsoren wären ab einer bestimmten Liga nötig. Meißner: „Das wollen wir alles nicht. Wir bleiben die, die wir sind.“
Anreize gibt es auch im Freizeitfußball genug. Die Meisterschaft erfolgreich verteidigen etwa, dazu diesmal auch den Pokal holen. Und jetzt am Freitag erstmal im Landespokal noch eine Runde weiterkommen. Traktors große Fahrt soll weitergehen.