Galeristin Eva Presenhuber eröffnet in Wien
Es gibt sie wohl in jeder Stadt: diese Ecken, die trotz ihrer zentralen Lage wenig frequentiert sind. In Wien heißt eine dieser Straßen Lichtenfelsgasse. Obwohl gleich neben dem Rathaus gelegen, verfügt sie über wenig Laufkundschaft. Allerdings wird derzeit rundherum wie verrückt gehämmert, gebohrt und gebaut – einerseits wegen des Ausbaus der U-Bahn, andererseits wegen der allgemeine Renovierungswut, die gerade die österreichische Hauptstadt erfasst. In der Lichtenfelsgasse Nummer 5 eröffnete kürzlich die Galeristin Eva Presenhuber ihre neuen Räumlichkeiten.
Unter Arkaden betritt man die neue Dependance, die nun die drei Standorte der international tätigen Händlerin in Zürich und New York ergänzt. „Die Räumlichkeiten hier sind klein, und es ist für Künstler auch gut, kleinformatige Ausstellungen zu machen“, sagt Presenhuber bei einem Besuch in der neuen Galerie. „Bei den Räumen in Zürich dagegen muss man zwei Jahre arbeiten, um sie zu füllen.“
Aktuell läuft in der Lichtenfelsgasse die Schau des Österreichers Tobias Pils, ergänzt durch eine Gestaltung von Gerwald Rockenschaub („Tobias Pils. Between us Space. Featuring Gerwald Rockenschaub“).
Ein Domizil für kleinformatige Ausstellungen
Im obersten Stock des Hauses hat die Galeristin eine Wohnung eingerichtet, in der sie an diesem Vormittag über ihre Pläne und Überlegungen für den neuen Standort erzählt. Wobei es sich auch um einen Showroom handelt: In der Dreizimmerflucht kann die potenzielle Kundschaft Werke der von Presenhuber vertretenen Künstlerinnen und Künstler in Augenschein nehmen, von Joe Bradley bis Franz West.
Dazu arrangierte sie stilsicher exquisite Möbel, etwa Regale des Wiener- Werkstätte-Designers Josef Hoffmann oder einen Tisch von Ugo Rondinone – jenes Künstlers, der Presenhuber einst zur Eröffnung ihrer Galerie in Zürich motivierte.
Mit Wien verbindet sie eine On-Off-Beziehung: Nachdem sie hier an der Hochschule für Angewandte Kunst studiert hatte, ging sie 1989 weg, konzentrierte sich auf die Schweiz und die Akzeptanz dort. Wien geriet weitgehend aus dem Blickfeld, wiewohl die Händlerin mit einigen hier ansässigen Künstlern arbeitete.
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Etwa mit Franz West, zu dessen internationaler Karriere sie einen wesentlichen Beitrag leistete. Sein Tod 2012 bewirkte eine Wendung: „Als West krank wurde und starb, bewegte mich das sehr. Ich hatte starke Verlustängste und kam wieder mehr nach Wien.“ Die Sehnsucht nach einem weitergehenden Engagement entstand.
Im vergangenen Jahrzehnt zogen einige Kunsthändler nach Wien oder eröffneten hier Filialen – nebst Crone, Croy Nielsen, Johann König und der Exile Gallery aus Berlin plant demnächst auch der in Berlin residierende Gregor Podnar eine neue Location in der Donaumetropole.
Wenig Kunstsammler in Wien
Wien steht im Ruf, eine zwar hervorragende Institutionen- und Galerienlandschaft zu haben, aber wenige Großsammler und noch weniger -sammlerinnen. „Der Nabel der Welt für den Kunsthandel ist noch immer New York. Nachdem ich so lange weg war, muss ich Wien erst wieder entdecken“, sagt Presenhuber. „Ich höre immer wieder, es gäbe wenige Sammler. Aber Potenzial hat Wien sicher, es gibt ja auch jüngere Generationen.“
Die aktuelle Schau in der Lichtenfelsgasse ist ein Heimspiel. Die beiden Künstler Tobias Pils und Gerwald Rockenschaub sind wie Presenhuber in Oberösterreich geboren. Es war Pils, der Rockenschaub zu einer „Intervention“ einlud. Dieser tauchte die Wände der Galerie in eine reizvolle Kombination aus gedeckten und knalligen Farben, sodass die architektonischen Eigenheiten des Gründerzeit-Baus gut hervortreten: Blutrote Farbe betont einen Bogen, der den Durchgang zwischen zwei Räumen bildet, ein goldener Streifen einen irregulär scheinenden Wandvorsprung. Zudem kontrastiert die Farbgebung in Pils’ Gemälden, die in Schwarz-, Weiß- und Grautönen gehalten sind.
[Bis 21. Mai, Lichtenfelsgasse 5, Wien]
Die surreal angehauchten Szenerien des Künstlers, von dem Presenhuber die sechste Soloshow zeigt, sind bevölkert von Menschen, Pferden und weiteren Tieren, die in Blasen eingeschlossen sind. Mal fliegt ein Auge wie ein riesiger Luftballon aus einem Pferdekopf, dann ersetzt ein solches den Kopf einer Schwangeren. Einige Figuren halten sich wackelig auf Pferden oder versuchen, auf einem Berg aus Äpfeln Halt zu finden. Vom Horizont grüßen Bäume, ganze Wälder. Pils führt sein Publikum in eine mystische, beunruhigende Welt, lässt die Betrachter:innen aber nie ganz eindringen.
Wie wirkt sich der Standort aufs Programm aus?
Presenhuber hat den Künstler bereits gut positioniert. Viele seiner Gemälde, zu Preisen um 70 000 Euro, waren bereits vor der Eröffnung verkauft. Später im Jahr stehen Positionen wie Sam Falls, Michael Williams, Karen Kilimnik und Joe Bradley auf dem Programm. Wie sehr sich der neue Standort in Presenhubers Künstlerliste niederschlagen wird, ist bisher nicht abzusehen. Derzeit finden sich neben Rockenschaub und Pils nur zwei Namen mit einem engeren Bezug zu Österreich auf der Liste: Franz West und Tamuna Sirbiladze – beide sind bereits verstorben. Wird die Händlerin ihre Wien-Präsenz nutzen, um neue Positionen aufzutun?
„Ich mache mich nicht aggressiv auf die Suche nach Künstlern und Künstlerinnen in Wien, die ich vertreten kann“, sagt sie. „Gerade mache ich mit Sarah Ortmeyer, die in Wien lebt, ein Projekt in New York. Wenn ich jüngere Leute finde, die ins Programm passen und international vertretbar sind, würde ich mich freuen.“
Presenhuber sieht ihr Engagement in Wien langfristig: „Die Galerie ist nicht nur ein Versuchsballon, ich werde hier bleiben. Wir werden das durchziehen.“ Gute Nachrichten für die Wiener Kunstszene.