Neue Chefin der Bundeskulturstiftung: Resilienz ist gefragt in der Dauerkrise

Eine europäische Karriere. Sie hat an der FU Berlin Theaterwissenschaft studiert, mit Prägung durch die Volksbühne der starken Castorf-Zeit. Ihre Magisterarbeit aber schrieb sie über Heiner Müller. „Er war mein Schlüssel zum Verständnis Deutschlands“, sagt Katarzyna Wielga-Skolimowska, die frühere Leiterin des Polnischen Kulturinstituts in Berlin. Seit Anfang des Jahres ist sie Künstlerische Direktorin der Kulturstiftung des Bundes.

Heiner Müller als Wegweiser? Bei allem Pathos war der 1995 verstorbene Dramatiker ein harter Realist. Sein Blick war global, als das Wort noch nicht so abgegriffen klang. Für eine Kulturmanagerin sind das gute, in dieser Phase der Weltgeschichte auch notwendige Eigenschaften. „Unsere Kulturinstitutionen brauchen Resilienz“: Dafür will sie sich einsetzen, das sieht sie als eine primäre Aufgabe bei der Bundeskulturstiftung, die 2002 gegründet wurde und in Halle an der Saale ansässig ist.

Teamarbeit ist wichtig

Das Geld wird knapp werden in der Kultur, da spielt die Klimaveränderung eine Rolle, und an vielen Orten weltweit gab und gibt es einen Umschwung nach rechts, in Ungarn, Brasilien, den USA, in Polen. Das hat sie selbst erlebt – wie schnell die politische Richtung sich ändert. Resilienz heißt, die Institute auf eine „Dauerkrise“ vorzubereiten, widerstandsfähig zu machen, international zu öffnen.

Das koloniale Erbe im postsowjetischen Raum, der sich im Grunde von der ehemaligen DDR bis nach Zentralasien erstreckt, beschäftigt sie. Das könnte ein Thema werden für die Stiftung. „Wir sind aber kein Veranstalter“, sagt Katarzyna Wielga-Skolimowska. Die Stiftung Bürgerlichen Rechts fördert Projekte der zeitgenössischen Kunst und Kultur – 4000 sind es seit Beginn. Dafür stehen in diesem Jahr 40 Millionen Euro aus dem Etat der Staatsministerin für Kultur zur Verfügung.

Diese Berufung ist ein Glücksfall und ein politisches Zeichen. Katarzyna Wielga-Skolimowska hat eine zupackende, pragmatische Art. Wenn sie von Diversität, Nachhaltigkeit und den Problemen des ländlichen Raums spricht, hat das nichts Ideologisches. Es sind fast schon traditionelle Themen der Bundeskulturstiftung. Es geht ihr darum, das eigentlich Selbstverständliche und Nötige in den Institutionen zu ermöglichen. Und das funktioniert nur im Team, wie sie immer wieder betont. Sie leitet die Stiftung gemeinsam mit der Verwaltungsdirektorin Kirsten Haß.

Katarzyna Wielga-Skolimowska wurde 1976 in Warschau geboren. Sie war 2006 bis 2009 Kuratorin des Polnischen Jahres in Israel, anschließend bereitete sie das Kulturprogramm für die polnische Ratspräsidentschaft der EU vor, unter dem optimistischen Motto „Art for Social Change“.

Als kulturelle Botschafterin machte sie sich auch in Berlin einen Namen. So wechselte sie, als in Polen die nationalistische Partei die Macht übernahm, zur Bundeszentrale für Politische Bildung und nachher zum Goethe-Institut nach München. 2020 ging sie nach Riad, baute in Saudi-Arabien die Goethe-Niederlassung auf, ein Job für eine Pionierin.

Bei der Bundeskulturstiftung übernimmt sie nun ein wohlgeordnetes Haus. Ihre Vorgängerin Hortensia Völckers war zugleich die Gründungsdirektorin. Völckers hat mit ihren zahlreichen Kooperationspartnern das Programm und die Identität der Stiftung aufgebaut. Wielga-Skolimowska will die Themen verbinden, wozu auch Inklusion und die Förderung des jungen Publikums gehören. Es sei ja alles vorhanden, eine ausgezeichnete Ausgangsposition.

Kontinuität. Das heißt für sie eine neue Erfahrung. Vieles im Arbeitsleben von Kuratorinnen und Kuratoren bleibt zwangsläufig etwas Vorübergehendes, leicht Vergängliches. Die Bundeskulturstiftung erlaubt eine Förderung über mehrere Jahre, zumal bei so genannten Leuchttürmen wie dem Berliner Theatertreffen, den Donaueschinger Musiktagen, dem Tanzkongress und der Documenta. Planungssicherheit in unsicheren Zeiten. Wie wackelig doch Türme sein können, hat der Sommer in Kassel gezeigt.

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