Britischer Düster-Pop: The Cure geben ein Konzert in Berlin
Der Vorteil, ein dem sogenannten Gothic Rock entwachsener Popstar zu sein, ist, dass niemand von einem erwartet, ein gewaltiges Bühnenspektakel abzuliefern. Wenn Helene Fischer irgendwann mal nicht mehr bei ihren Konzerten pausenlos tanzt und ihren Körper abenteuerlich verrenkt, wird es wahrscheinlich heißen: die ist aber auch ganz schön alt geworden.
Wenn nun aber Robert Smith, Kopf und Mastermind der englischen Band The Cure, bei dem Auftritt seiner Band in der Mercedes-Benz-Arena mehr als zwei Stunden lang eigentlich nur dasteht und sich sogar die wechselnden Gitarren von einem Angestellten reichen lässt, ist eigentlich alles wie immer. Smith war noch nie der große Bewegungsakrobat und wenn der bevorzugte Tanzstil in der Gothicszene eine Art Rumstehen mit angedeuteten Bewegungen des Oberkörpers ist, dann liegt das auch an ihm.
Nun sind The Cure freilich schon lange keine Gothic-Rock-Band mehr, die vor allem für eine bestimmte Subkultur große Bedeutung hat, sondern ein im Laufe der Achtziger entstandenes Popphänomen, das selbst die riesige Mercedes-Benz-Arena mit einem Publikum füllt, das vor allem einfach eine gute Zeit haben möchte.
Das Publikum trägt nicht nur schwarz
Smith ist zwar immer noch schwarz gewandet, sein Publikum aber nicht mehr unbedingt. Dass es Spaß und gute Laune ausgerechnet bei The Cure sucht, ist ja eigentlich ein Widerspruch in sich. Schließlich steht die Band für Weltschmerz, Melancholie und depressive Schübe wie keine zweite. Aber als The Cure dann im zweiten Teil ihres Konzerts endlich doch noch ihre großen Hits auspacken, mit dem Evergreen “Boys Don’t Cry” als Finale, dann sieht man den Leuten doch die Freude förmlich ins Gesicht geschrieben.
Hat ja auch lang genug gedauert bis zu diesem Moment. Denn über eine Stunde lang spielen The Cure vor allem ein Set für The-Cure-Spezialisten und weniger für diejenigen, die gekommen sind, weil sie “Friday I’m in love” so gerne im Radio hören. Oder sich daran erinnern möchten, wie sie vor einer halben Ewigkeit zu dem Song ihren ersten großen Liebeskummer verarbeiteten.
Es werden in der ersten Konzerthälfte vor allem Stücke ihres Spät-Achtziger-Albums “Disintegration” dargeboten, das für einen schwelgerischen, ozeanischen Sound steht und nicht für die Sorte von The-Cure-Hits, die heute auf jeder Ü-30-Party oder Hochzeitsfeier laufen. Ein paar Songs aus dem neuen Album, das weitgehend fertiggestellt sein und bald unter dem Titel “Songs from the lost world” erscheinen soll, werden auch vorgestellt. Sie heißen etwa “And nothing is forever” oder “Alone” und klingen auch genau so traurig, wie diese Titel vermuten lassen.
Robert Smith, inzwischen 63 Jahre alt, hat immer noch diesen zauseligen Haarschopf, der sein Markenzeichen ist und für dessen Erhalt er wahrscheinlich jeden Morgen einmal in eine Steckdose greifen muss, damit er so schön wild aussieht. Seine Bandkollegen sehen dazu im Vergleich einfach nur wie in die Jahre gekommene Rockmusiker aus. Zu sechst, darunter gleich zwei Keyboarder und inklusive Smith drei Gitarristen, wird Trübsal geblasen.
Smiths Gesang transportiert Seelenpein
Der Sound wird mit viel Hall versehen und klingt dadurch noch vernebelter und Smiths Gesang transportiert immer noch mehr Seelenpein als jeder Trauerredner. Aber mitreißen tut das niemanden, soll es ja auch gar nicht. Einige aus dem leicht sediert wirkenden Stehpublikum blicken sicherlich bereits neidisch auf diejenigen, die Sitzplätze ergattert haben.
Die Visuals, die die Band mit im Programm hat, helfen auch nicht unbedingt dabei, die ganze Sache etwas belebender zu gestalten. Die meiste Zeit sieht man auf den Bildschirmen die Band, dann den Mond und als in „A Forest“ der Wald besungen wird, wenig originell ein paar Bäume.
Im zweiten Teil des Abends, als sich dann Hit an Hit reiht, ist alles anders. Smith spricht sogar mit dem Publikum, auch wenn man ihn kaum versteht. Aber man bekommt schon mit, dass er zum Ausdruck bringen möchte, gut drauf zu sein.
Dem Publikum geht es da längst genauso. Immer mehr erheben sich aus ihren Sitzplätzen und in den VIP-Lounges, wo man es um einiges geräumiger hat als im Rest der Mercedes-Benz-Arena, wird eifrig und wirklich nicht nur in schläfriger Gothic-Manier getanzt.
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