Pal Dardai über Hertha BSC: „Die Lage ist wirklich ernst“

Ibrahim Maza stand mit dem Rücken zur Wand. Um sein rechtes Knie trug er ein Gestell, und in den Händen hielt er zwei Krücken. „Du fehlst an allen Ecken und Enden“, sagte jemand zu ihm.

Es war nicht ganz klar, ob sich diese Aussage auf das Spiel bezog, das Maza sich gerade im Amateurstadion auf dem Olympiagelände anschaute. Die U 19 von Hertha BSC führte im Berliner Derby gegen den 1. FC Union zur Pause 1:0, am Ende hieß es 3:0. Es lief also auch ohne Maza.

Wahrscheinlicher ist, dass die Profi-Mannschaft des Berliner Fußball-Zweitligisten gemeint war. Dort besteht auf Mazas Position, der Position des Spielmachers, akuter Bedarf, nachdem Marco Richter, der bisherige Zehner, am Dienstag seinen Wechsel zum Bundesligisten Mainz 05 verkündet hat.

Die Entscheidung des Kapitäns ist auch der Mannschaft ein wenig aufs Gemüt geschlagen. Ein bisschen still sei es im ersten Training ohne ihn gewesen, berichtete Trainer Pal Dardai. „Natürlich bleibt da ein kleines Loch“, sagt der Ungar. „Marco war eine zentrale Figur.“

Vielleicht dauert der Aufstieg, so wie es im Moment aussieht, drei, vier Jahre.

Pal Dardai, Trainer von Hertha BSC

Richters Nachfolger als Kapitän wird Innenverteidiger Toni Leistner, der zwar erst im Sommer zu Hertha gekommen ist, aber auf Trainer Dardai längst den Eindruck macht, als gehörte er schon 20 Jahre der Mannschaft an. Leistners Beförderung war allgemein erwartet worden. Deutlich schwieriger dürfte es werden, die Lücke auf dem Fußballplatz zu schließen, die Richter durch seinen Weggang gerissen hat.

Viele Alternativen hat Trainer Dardai für die Zehnerposition nicht. Da wäre zum einen sein jüngster Sohn Bence Dardai, 17 Jahre alt. Und eben Ibrahim Maza, ebenfalls 17, aber bis zum Winter wegen einer Meniskusoperation nicht verfügbar. „Ibo fehlt sehr“, sagt Dardai.

Herthas Kader weist ohnehin einige Lücken auf, und dass sie bis zum 1. September, dem Ende der Transferperiode, allesamt geschlossen werden können, ist eher nicht zu erwarten. Oberste Priorität genießen Verstärkungen für das zentrale Mittelfeld, in dem Dardai bisher improvisieren musste.

Hertha sucht einen Sechser und als Ersatz für Suat Serdar (auf Leihbasis zu Hellas Verona) einen Achter. „Natürlich wäre es schön, einen Zehner zu holen“, sagt Dardai. „Aber rechne mal: Ich glaube, das ist unmöglich.“

Hertha muss sparen, dass es quietscht

Herthas finanzielle Probleme sind allseits bekannt. Der Klub muss einen Transferüberschuss in zweistelliger Millionenhöhe erwirtschaften. Selbst wenn der sich anbahnende Wechsel von Dodi Lukebakio zum FC Sevilla für angeblich zehn Millionen Euro alsbald über die Bühne gehen sollte, wird Hertha nicht mit dem Geld um sich schmeißen können.

Seit Wochen, fast Monaten wird darüber spekuliert, dass Diego Demme als Sechser vom Italienischen Meister SSC Neapel zu Hertha wechselt. Doch noch immer gibt es keinen Vollzug, weil die Berliner die Ablösevorstellungen von Demmes bisherigem Klub nicht hat erfüllen können. „Hier gibt es keine Millionen, keine Milliarden“, sagt Dardai. Das war einmal. „Das Geld ist weg, ganz einfach.“

Herthas Trainer hat das Gefühl, dass dies immer noch nicht überall durchgedrungen ist und Herthas bisheriges Abschneiden nach dem Abstieg in die Zweite Liga (drei Spiele, kein Punkt, kein Tor) mit falschen Maßstäben gemessen wird: „Für mich ist das langsam Mobbing. Es ist nicht in Ordnung, dass jeder jede Woche irgendwelche negativen Aussagen macht über den Klub.“

Für mich ist das langsam Mobbing. Jede Woche macht jeder irgendwelche negativen Aussagen über den Klub.

Pal Dardai, Trainer von Hertha BSC

Nachdem sich Dardai zuletzt schon gegen überzogene Erwartungen gewehrt hatte, hat er den Anhang des Klubs nun erstmals auf harte Zeiten eingestellt. „Vielleicht dauert der Aufstieg, so wie es im Moment aussieht, drei, vier Jahre“, erklärte er am Donnerstag. Denn: „Die Lage ist wirklich ernst.“

Jede Woche habe er drei Sitzungen mit der Scoutingabteilung, jede Woche würden ihm gute Spieler präsentiert, die sich Hertha aber einfach nicht leisten kann. „Das ist eine Geldfrage. Wir sind begrenzt.“

Bence Dardai, der potenzielle Zehner, hat unter der Woche in der U 19 gespielt. Beim 3:0 gegen Union erzielte er das erste Tor, das zweite bereitete er vor. „Bence hat ein paar Ausnahmesachen gemacht“, sagt sein Vater. Trotzdem wird der 17-Jährige an diesem Samstag, im Heimspiel gegen Greuther Fürth (13 Uhr, live bei Sky), nicht von Anfang an spielen. Für einen Jugendspieler sei die aktuelle Situation einfach nicht geeignet.

Wahrscheinlich ist, dass Pal Dardai sein System den komplizierten Gegebenheiten anpassen wird. So könnte er statt einen Zehner im 4-2-3-1 zwei Achter im 4-3-3 spielen lassen. Zumindest hat der Ungar diese Variante – mit Palko Dardai und Michael Karbownik beziehungsweise Jeremy Dudziak auf den Halbpositionen – im Training üben lassen.

„Für uns ist die wichtigste Position nicht die Zehnerposition“, sagt Pal Dardai über die letzten Tage der Transferperiode. Ein Sechser und Achter sollen es sein. Aber: „Bitte kein Jugendspieler. Entweder ein erfahrener oder keiner.“