Neuer Jugendroman von Nils Mohl: Verliebt und nicht von dieser Welt
Flipperautomaten. Auch so eine Sache, die ziemlich aus der Mode gekommen ist. Ebenso wie Bücher. Obwohl es immer noch Leute gibt, die es lieben, die rollende Metallkugel mit schnellem Klackern über die schräge Spielfläche zu katapultieren. Es gibt ja auch immer noch Leute, die lesen. Manchmal sogar dasselbe Buch. In der S-Bahnlinie 31 Richtung Hamburg-Altona.
Da erblickt Ponger, als er von seinem Job in Susis Werkstatt heimfährt, plötzlich ein Mädchen, das er in Gedanken Henny nennt. Zwischen ihnen ist irgendetwas. Ponger spürt eine Verbindung. Ohne dass er überhaupt ein Wort mit ihr geredet hat. „Um sie herum erscheint der Raum silbern von ihrer Anwesenheit“, heißt es in Nils Mohls ebenso lakonischer wie poetischer Liebesgeschichte.
Der vielfach preisgekrönte Hamburger Schriftsteller und Drehbuchautor ist ein furchtloser, fantasievoller Erzähler. Anders ist die abgedrehte, keinesfalls zu verratende Wendung überhaupt nicht zu erklären, die eine Geschichte nimmt, die wie eine ganz normale Boy-meets-Girl-Saga beginnt.
Aber was ist schon normal, wenn man sich wie Ponger partout nicht an seine Kindheit oder seine Familie erinnern kann, ja gewissermaßen keine Vergangenheit zu haben scheint.
Tatsache ist, dass Ponger ein begnadetes Tüfteltalent ist, das in Susis Garage im Schlaf alte Flipperautomaten wieder zum Laufen bringt. Ein Pinball Wizard, ein Flipperfreak, der traumwandlerisch die Maschinen beherrscht, wie es der gleichnamige Song von The Who erzählt. Auch mit Oldtimern kennt er sich aus. Mit eleganten alten Karossen, wie Pörl eine fährt. Die alte Dame ist Pongers Freundin, die ihm mütterliche Unterstützung in allen Daseinsfragen gewährt.
All das blättert Nils Mohl kunstvoll und beiläufig auf, während er in knackigen, manchmal nur aus einem Satz bestehenden Kapiteln Pongers und Hennys Kennenlernen erzählt. In Hamburger Echtzeit, die vom S-Bahnhof Sterndamm durch Stadtteile wie Wilhelmsburg und Rothenburgsort führt und schließlich in einer wilden Verfolgungsjagd auf die Nordseeinsel Amrum führt.
Dass die forsche Henny, die stets barfuß unterwegs ist, ein Geheimnis hat, ahnt Ponger sofort. Schließlich scheint sie mehr über ihn zu wissen als er selber. Und überall unvermittelt aufzutauchen. Verfolgt wird Henny außerdem. Von Beamten einer merkwürdigen Bundesbehörde, die sich bald auch an Pongers Fersen heften. Ist Henny eine radikale Umweltaktivistin? Ist sie eine Whistblowerin? Nichts scheint unmöglich bei einem Teenager, der mal eben die Notbremse zieht und auf das Zugdach klettert, wenn es brenzlig wird.
Nils Mohl hält die Fäden dieses Verwirrspiels, die das Rätsel um Hennys Identität mustergültig mit Pongers eigenem Lebensrätsel verstricken, bis zur atemlosen Auflösung in der Luft, ohne dass die Spannung jemals durchhängt.
Die erste Liebe mit all ihren körperlichen und seelischen Sensationen und das Alien-Lebensgefühl von Teenagern beschreibt Mohl glaubwürdig und atmosphärisch. Die Beschreibung des Amrumer Knieps liest sich so: „Vor ihnen liegt eine zuckerhelle Mondlandschaft, eine kilometerbreite Fläche. Ein Ort wie aus einer fernen Zeit oder vor oder nach der Menschheit.“
Vor oder nach der Menschheit. Der Satz erfährt im letzten Viertel von „Henny & Ponger“ eine überraschende Auflösung. Nur logisch, dass Nils Mohls hinreißende Achterbahnfahrt der Gefühle und Absurditäten so endet wie sie beginnt: mit einem Buch und einer Notbremsung. Gunda Bartels
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