Nachruf auf William Friedkin: Der schmale Grat zwischen Gut und Böse
Die Filmkritikerin Pauline Kael, auch über zwanzig Jahre nach ihrem Tod noch die letztgültige Referenz, wenn es um die Ära New Hollywood geht, war Anfang der 1970er Jahre kein großer Fan von William Friedkin, der schon eine Fernsehkarriere hinter sich gehabt hatte, als er zwei Klassiker am Stück ablieferte. Seinen Thriller „The French Connection“ (deutscher Titel „Brennpunkt Brooklyn“), eine madige Meditation über die Mühen der Polizeiarbeit mit einer der besten Verfolgungsjagden im Kino, bezeichnete Kael leicht abschätzig als einen „gereizten Fall von New York“.
Und über „Der Exorzist“ urteilte sie zwei Jahre später, er sei ein guter Werbefilm für die katholische Kirche – wohlgemerkt, die des Mittelalters. Auch Ingmar-Bergman-Star Max von Sydow rang mit dem Regisseur um seine Rolle des Priesters, der einen Exorzismus an der von Linda Blair gespielten Zwölfjährigen vollziehen musste.
„Ich bin fünf Mal von ‘Der Exorzist’ gefeuert worden“, erinnerte Friedkin sich später. Am Ende war es aber sein Horrorfilm, der – noch vor den Blockbustererfolgen von „Der weiße Hai“ und „Star Wars“ – den Abenteuerspielplatz New Hollywood in eine zähnefletschende Filmindustrie verwandelte.
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Wie seine New-Hollywood-Kollegen war Friedkin von der französischen Nouvelle Vague beeinflusst. Den Gegenspieler von Gene Hackman und Roy Scheider in „The French Connection“ wollte er ursprünglich mit „dem Hauptdarsteller“ aus Buñuels „Schöne des Tages“ besetzen – Fernando Rey kam zu der Rolle nur durch einen Fehler seines Produzenten. Aber zwischen den Freigeistern (Hal Ashby), Größenwahnsinnigen (Francis Ford Coppola) und Traumtänzern (Steven Spielberg) seiner Generation war der fernsehgeschulte Friedkin der Pragmatiker mit einem expansiven Vorstellungsvermögen, was Inszenierung und Charakterzeichnung angeht.
Oscars für „French Connection“
„The French Connection“ und „Der Exorzist“ brachten einen rauen Realismus in das amerikanische Genrekino; nicht zufällig gehören sie zu den Filmen der 1970er, die hervorragend gealtert sind. Friedkin hat immer einen künstlerischen Anspruch an seine Filme gehabt; dass man damit auch ein größeres Publikum erreichen konnte, ließ die jungen Wilden erstmals aufhorchen.
Selbst das oft zu Unrecht geschmähte Hollywoodkino der folgenden Dekade (die Reagan-Ära!) verdankt Friedkins Professionalität eine Menge. Mit seinem zweiten großen Polizeifilm „Leben und Sterben in L.A.“ (mit dem jungen Willem Dafoe) setzte er 1985 noch einmal Genre-Maßstäbe.
Alle Filme, die ich mich entschieden habe zu machen, handeln von dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse.
William Friedkin, Regisseur
Dass der Ruhm in Hollywood immer nur bis zum nächsten Film hält, musste William Friedkin schmerzhaft erfahren. Nach zwei Oscars für „The French Connection“ (Regie und bester Film) befand sich der 37-Jährige auf dem Olymp; die Verrisse des Hochspannungsthrillers „Atemlos vor Angst“ (1977) über vier Männer, die eine Ladung Sprengstoff im LKW durch den Dschungel transportieren, holten ihn noch vor Ende der Dekade auf den Boden der Realität zurück.
Friedkin bezeichnete das Remake des französischen Klassikers „Lohn der Angst“, den er selbst produzierte, als seinen persönlichen Lieblingsfilm, Quentin Tarantino hält ihn für das beste Remake aller Zeiten. Heute gilt das Remake, nicht zuletzt wegen des Soundtracks von Tangerine Dream, selbst als Klassiker.
„Alle Filme, die ich mich entschieden habe zu machen, handeln von dem schmalen Grat zwischen Gut und Böse“, hat Friedkin einmal gesagt. Darum war der Vorwurf der Homophobie gegenüber „Cruising“ (1980), in dem Al Pacino in der SM-Szene von San Francisco einen Serienmörder jagt, auch etwas unfair – Friedkin entschuldigte sich später trotzdem. Sein ganzes Kino war perforiert von einem schonungslosen Existenzialismus. Am Montag ist der moderne amerikanische Klassiker William Friedkin im Alter von 87 Jahren in Los Angeles gestorben. Sein letzter Film „The Caine Mutiny Court-Marshall” hat im September auf dem Venedig Filmfestival Premiere.