Nachruf auf Rob Reiner: Harry und Sally machten ihn berühmt

Eine der bekanntesten Szenen der jüngeren Kinogeschichte spielt in Katz’s Delicatessen, dem mittlerweile legendären jüdischen Feinkost-Diner in Manhattan. Die Kamera fährt an voll besetzten Tischen vorbei und bleibt an Meg Ryan und Billy Crystal hängen. Sie streiten miteinander, wie so oft in der Liebeskomödie „Harry und Sally“, und essen dabei Sandwiches.

„Ich bin froh, dass ich nie etwas mit dir hatte“, sagt Sally, die von Meg Ryan gespielt wird. „Warum?“, will der von Billy Crystal dargestellte Harry wissen. „Weil du dich gegenüber Frauen ekelhaft verhältst“, antwortet Sally. Das macht Harry fassungslos. Hatten sie nicht alle eine gute Zeit, wenn sie mit ihm schliefen?

Woher er das wisse? Na ja, weil keine Frau ihm einen Orgasmus vortäuschen könne. Sally lacht kurz auf und beginnt zu stöhnen. Erst leise, dann immer lauter. Sie schließt die Augen, ruft „Oh Gott“, schlägt auf den Tisch. Am Ende schreit sie laut auf und grinst selig. Alle Gespräche sind verstummt, der glatzköpfige Kellner glotzt befremdet. Und eine ältere Frau sagt: „Ich möchte genau das, was sie hatte.“

Rob Reiner mit seiner Frau Michele Singer.

© dpa/Peter Foley

Diese ältere Frau wird von Estelle Reiner gespielt, der Mutter des Regisseurs Rob Reiner. Mit „Harry und Sally“ knüpfte Rob Reiner an die Schlagfertigkeit und Leichtigkeit der klassischen Screwball-Komödien von Ernst Lubitsch, Howard Hawks und George Cukor an. Und fügte ihnen einen feministischen Touch hinzu.

Denn Harry, den Billy Crystal in breitbeinigster Mackerhaftigkeit verkörpert, erfährt erst durch Sally, dass Liebe mehr sein kann als Sex. Sie lernen sich bei einer Autofahrt von Chicago nach New York kennen und finden sich sofort unausstehlich. Danach wollen sie nichts mehr miteinander zu tun haben.

Aber natürlich laufen sie sich Jahre später in New York wieder über den Weg und beginnen, miteinander auszugehen. Ihre ewige Streitfrage: Gibt es platonische Liebe? Harry glaubt nicht daran: „Kein Mann will mit einer Frau nur befreundet sein, die er attraktiv findet.“

Rob Reiner als langhaariger Rebell in der Fernsehserie „All In The Family“.

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Schon mit seinem ersten Kinofilm als Regisseur, der Mockumentary „This is Spinal Tap“, gelang Rob Reiner 1984 ein großer Wurf. Die Komödie begleitet die fiktive britische Heavy-Metal-Band Spinal Tap bei einer Tournee. Die Gruppe hat zwei Probleme: Ihre Schlagzeuger sterben früh, und das Cover ihres neuen Albums steht unter Sexismus-Verdacht.

Reiner galt als Komödien-Spezialist, doch er feierte auch in anderen Genres Erfolge. Schöner als in seinem Coming-of-Age-Drama „Stand by Me – Das Geheimnis eines Sommers“ (1986) ist der Abschied von der Kindheit selten im Kino beschrieben worden.

Vier zwölfjährige Jungs, angeödet von ihrem Hinterwäldler-Leben in Oregon, machen sich 1959 auf die Suche nach einem vermissten Schüler. Sie werden beinahe von einer Eisenbahn überfahren, müssen mit einer Bande von Halbstarken kämpfen und finden schließlich die Leiche des Jungen.

Die Romanvorlage stammte von Stephen King

„Ich werde nie aus diesem Kaff herauskommen“, jammert einer von ihnen. Aber einer der Freunde versichert ihm: „Du kannst alles machen, was du willst.“ Mit „Stand by Me“ – Ben E. Kings gleichnamiger Soul-Klassiker gehört zum Soundtrack – nahmen die Karrieren der Jungstars River Phoenix, Kiefer Sutherland und John Cusack Fahrt auf.

Die Roman-Vorlage von „Stand by Me“, stammt von Stephen King, genauso wie bei der bitterbösen Kriminalkomödie „Misery“, die Rob Reiner 1990 adaptierte. Ein Mystery-Thriller-Autor (James Caan) gerät nach einem Autounfall in die Fänge eines weiblichen Fans (Kathy Bates) und muss um sein Leben kämpfen.

„Es gibt vier Kategorien von Filmen: Schundfilme, die Unmengen an Geld einbringen; Schundfilme, die kein Geld einbringen; wirklich gute, anspruchsvolle Filme, die Unmengen an Geld einbringen; und wirklich gute, anspruchsvolle Filme, die an den Kinokassen floppen“, hat Rob Reiner in einem Interview erzählt.

Trotzdem glaubte er immer ans Kino. Daran, dass auch „intelligente und anspruchsvolle Filme“ erfolgreich sein können. „Letztendlich werden sie Gewinn machen. Und sie verhindern außerdem, dass die Leinwände und die Köpfe der Menschen mit Schund verschmutzt werden.“

Nicht mit allen seinen Filmen ist dem Regisseur die Balance zwischen künstlerischem Anspruch und Erfolg an der Kinokasse gelungen. Doch sein Militärkrimi „Eine Frage der Ehre“ (1992), der Politthriller „Das Attentat“ (1996) und das Krankenhausdrama „Das Beste kommt zum Schluss“ sind bis heute sehenswert geblieben.

Am Sonntag ist Rob Reiner zusammen mit seiner dritten Ehefrau Michele Singer tot in ihrer Villa im kalifornischen Städtchen Brentwood bei San Francisco aufgefunden worden. Reiner wurde 78, Singer 68 Jahre alt. Sie sollen erstochen worden sein. Ihr Sohn Nick Reiner steht unter Mordverdacht und wurde festgenommen. Er war schon als Teenager drogenabhängig, wurde obdachlos und schrieb darüber ein Drehbuch, das Rob Reiner 2015 unter dem Titel „Being Charlie – Zurück ins Leben“ verfilmt hat.