Geplanter Rückzug oder Flucht?: Galerist Johann König verlässt Wien
Ja, was denn nun? Vergangenen Herbst tat Galerist Johann König seine Liebe zu Wien kund und verriet der Tageszeitung „Der Standard“, dass er bei der Eröffnung seiner Galerie vor 20 Jahren zwischen der österreichischen Metropole und Berlin hin- und hergerissen gewesen sei.
Damals entschied sich König für Berlin-Kreuzberg, doch im Oktober 2021 eröffnete er zusätzlich einen Raum in Wien. Der schließt nun – und plötzlich soll das ganze Engagement dort bloß ein temporäres gewesen sein.
Es habe sich um ein „Pop-up-Projekt für ein Jahr“ gehandelt, ließ die Galerie nun den „Standard“ wissen. Der hatte sich über das abrupte Ende nach der jetzigen Ausstellung von Alicja Kwade gewundert und nachgefasst.
Tatsächlich kursierten Pläne, nach denen König seine Dependance im sogenannten Kleinen Haus der Kunst so bald wie möglich aufgeben wollte – und zwar zugunsten eines größeren, eigenen Standorts im Wiener Augarten, in dem zuvor die Sammlerin Francesca Habsburg-Lothringen mit ihren Ausstellungen untergekommen war.
Martin Hos gilt als schillernde Figur
So hätte sich Johann König nicht bloß eine erstklassige Adresse gesichert, sondern wäre zusätzlich dem Dunstkreis eines Mannes entkommen, den die Wiener Kunstszene mit einigem Argwohn betrachtet: Das Kleine Haus der Kunst wird gastronomisch von Martin Hos betrieben. König war für das Kunstprogramm der schönen Location zuständig. Hos wiederum gilt als schillernde Figur mit engen Verbindungen in die Politik.
Vielleicht hat König nicht länger mit dem Umzug warten wollen. Vielleicht war Wien aber auch tatsächlich ein kommerzieller Versuchsballon und hat die Erwartungen an die dortige Sammlerschaft in den vergangenen zwölf Monaten nicht erfüllt.
In jedem Fall wurde die Ankunft, wurden die Absichten anders kommuniziert: Das klang nach einem lang gehegten Wunsch mit langfristigem Plan.
So sieht es nun nach einem Rückzug aus, der keiner sein soll oder darf. Es wäre das Eingeständnis eines Scheiterns in der Biografie des ansonsten überaus erfolgreichen Galeristen. Nicht zuletzt wirft die Entscheidung aber auch die Frage auf, ob die MeToo-Vorwürfe der jüngsten Zeit König nicht doch schaden.
2019 waren sie schon einmal aufgekommen, hatten aber keine Konsequenzen. Vor wenigen Wochen legte die Wochenzeitung „Zeit“ dann nach und präsentierte die Ergebnisse ihrer umfangreichen Recherchen.
Diesmal wurden Zeuginnen genannt, die Königs sexuelle Übergriffe nach eigenen Angaben selbst erlebt oder beobachtet haben (s. Tagesspiegel vom 1.9.2022). Und auch, wenn die Vorwürfe bislang ohne juristische Folgen geblieben sind, wirken sie doch auf das Ansehen eines Galeristen in der machtvollen Position von Johann König.
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