Berliner Sechstagerennen: Zwischen leeren Rängen und Rekorden
„Es war ein bisschen kurz, aber wunderschön“, so verabschiedete Moderator Christian Stoll die Zuschauer:innen am Ende des dritten Renntages am Sonntagabend aus dem Berliner Velodrom. Das Comeback des Sechstagerennens, nach zwei Jahren coronabedingter Zwangspause und in diesem Jahr in verkürzter Form, kann durchaus als Erfolg verbucht werden. Verbesserungspotenzial gibt es trotzdem.
„Ich bin sehr zufrieden. Besonders der Samstag war mit 5500 Zuschauern sehr gut besucht. Am Familiensonntag, dieses Mal gleichzeitig das Finale der Six Day, hätte ich mir schon ein paar Zuschauer mehr gewünscht“, resümiert Geschäftsführer Valts Miltovics.
Die Veranstaltung konnte bei weitem nicht die Zuschauerzahlen aus Vor-Corona-Zeiten verbuchen. Am Starttag, sowie am Familiensonntag, blieben viele Plätze frei. Aber auch diese Entwicklung weiß Miltovics für sich zu nutzen: „Jetzt können wir tatsächlich einschätzen, wie groß das Interesse am Radsport in Berlin ist.“
Und schloss man während der Wettbewerbe kurz die Augen, hätte man sich einbilden können, das Velodrom wäre richtig gut gefüllt, so leidenschaftlich bejubelten die Fans die Bahnelite. Dabei gab es nicht nur sportliche Höhepunkte, auch an Emotionen wurde einiges geboten.
Die Veranstaltung in diesem Jahr war ein großes Risiko. Wir schreiben keine roten Zahlen und können weiterarbeiten
Geschäftsführer Valts Miltovics
Besonders Publikumsliebling Maximilian Levy bescherte mit seiner Abschiedsfahrt einen rührenden Moment. Neunmal siegte der 35-Jährige bei den Sixdays in Berlin, zuletzt 2020. Ein Jahr nach seinen vierten Olympischen Spielen beendete er eine aktive Laufbahn.
Seine Abschieds-Ehrenrunde im heimischen Velodrom musste aufgrund von Corona verschoben werden. Umso begeisterter wurde er dafür jetzt in der Halle gefeiert. Dass er in der Zwischenzeit auf dem Rad nichts verlernt hatte, stellte er mit einer Zeit von 12,670 Sekunden eindrucksvoll unter Beweis. „Das Schönste für einen Sprinter war immer das Rundenrekordfahren. Ich bin hier bisher 84 Mal gefahren und wollte eigentlich die 100 vollmachen. Das hat leider wegen Corona nicht geklappt – aber diese eine Runde werde ich nochmals genießen“, sagte Levy.
Höchstleistungen, strahlende Sieger und ein Bahnrekord
Neben den großen Emotionen konnten aber auch viele sportliche Highlights bejubelt werden. Eins davon lieferte Maximilian Dörnbach beim Sprint Rundenrekord fliegend. Den Titel nahm sich der Cottbusser Athlet zu Herzen und flog mit 12.045 Sekunden zum neuen Bahnrekord. Musste sich dann aber im letzten Sprint des Abends Stefan Bötticher geschlagen geben, der damit auch in der Gesamtwertung gewann.
Im großen Finale wurden zwei Berliner ihrer Favoritenrolle gerecht. Roger Kluge und Theo Reinhardt sicherten sich den Team-Sieg. In einem packenden Zweikampf mit Yoeri Havik/Vincent Hoppezak aus den Niederlanden fuhren die amtierenden Europameister taktisch klüger und verdrängten ihre Kontrahenten mit einer Attacke 15 Runden vor Schluss vom Siegerplatz. „Wir wollten nicht bis zuletzt warten und es auf den finalen Sprint ankommen lassen. Am Ende war es hart, aber hat gereicht“, so Kluge.
Bei den Frauen feierten Marit Raaijmakers und Mylene de Zoete einen Start-Ziel-Sieg. Die favorisierte Mannschaft mit Olympiasiegerin Franziska Brauße und Lea Lin Teutenberg belegte Platz drei. „Sprint-Königin“ der Frauen wurde erstmals Lea Sophie Friedrich. Die siebenmalige Weltmeisterin war über die drei Tage die etwas konstantere Fahrerin. Titelverteidigerin Emma Hinze musste sich mit dem zweiten Platz begnügen.
Sechstagerennen wieder über sechs Tage?
Die Euphorie der Sportler:innen übertrug sich auf die Ränge: „Das Gefühl war gleich wieder da, es war wie immer! Das Schönste ist, dass es die nächsten Jahre wieder noch größer und schöner wird! Ich schwebe nicht nur auf Wolke 7, sondern auf Wolke 14“, befand ein Besucher in der Halle.
Besucher:innen sowie Athleten und Athletinnen sind gespannt auf die kommenden Jahre. Wie und vor allem wie lange das Event in Zukunft stattfinden soll, steht aber noch in den Sternen. „Die Veranstaltung in diesem Jahr war ein großes Risiko. Wir schreiben keine roten Zahlen und können weiterarbeiten. Wie schnell wir zu einer sechstägigen Veranstaltung zurückkehren, kann ich derzeit nicht sagen, aber wir suchen nach Lösungen. Das Potenzial in Berlin ist da“, so Geschäftsführer Valts Miltovics.
Die Bahnelite richtet ihren Blick aber zunächst auf die nähere Zukunft. In acht Tagen startet die Bahnrad-Europameisterschaften 2023 im schweizerischen Grenchen. Bei der viele Akteure des Sechstagerennens wieder auf Titeljagd gehen werden.
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