Mit Gianluigi Buffon endet eine Ära
Das Umfeld ist traurig, das kann man nicht anders sagen. Aber was wäre dem Anlass schon angemessen? Ein ausverkauftes Bernabéu, Wembley, das Berliner Olympiastadion oder das Maracanã? Nicht einmal das Olimpico in Rom ist es geworden, obwohl das italienische Pokalfinale dort seit 2007 immer ausgetragen wurde. Nun also das Mapei Stadium in Reggio Emilia, ein ziemlich hässlicher Funktionsbau mit Platz für knapp 22 000 Zuschauer. Immerhin wird es nicht ganz leer sein. 4300 Fans dürfen am Mittwoch (21 Uhr, Dazn) dabei sein, wenn Juventus Turin gegen Atalanta Bergamo um die Coppa Italia spielt. Wobei das Pokalfinale eigentlich nebensächlich ist. Denn Gianluigi Buffon, einer der besten Torhüter der Fußballgeschichte, wird am Mittwoch sein letztes Spiel auf der großen Bühne bestreiten.
2018 hatte sich Buffon schon einmal von Juve verabschiedet, doch schon nach einem Jahr bei Paris Saint-Germain zog es ihn als Ersatztorwart wieder nach Turin. Nun, im Alter von 43 Jahren, wird es kein Zurück geben, zumindest nicht als Spieler. „Dieses Jahr endet diese sehr lange und wunderschöne Erfahrung bei Juve endgültig“, sagte Buffon vor einer Woche. „Ich habe Juve alles gegeben – und alles bekommen. Mehr geht nicht. Wir sind am Ende einer Ära angekommen und es ist richtig, dass ich jetzt Platz mache.“
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Ob er seine Karriere nach 26 Jahren als Profi beendet oder doch noch eine Saison dranhängt, hat er noch nicht entschieden. Angeblich würde ihn José Mourinho, der ab Sommer die AS Rom trainieren wird, gerne verpflichten. Ein Wechsel innerhalb der Serie A ist angesichts seiner engen Bindung zu Juve aber nahezu ausgeschlossen. Eine Rückkehr zu Parma wäre charmant, ist aber wohl zu fußballromantisch. „Vielleicht finde ich irgendwo die richtige Motivation, um weiterzuspielen oder um eine neue Lebenserfahrung zu machen“, sagte Buffon zu seinen Zukunftsoptionen. „Ansonsten höre ich auf.“
Momentan sieht es allerdings danach aus, als würde die Torwartlegende die Rente noch etwas herauszögern. Buffon fühlt sich noch fit. „Mit diesem Willen, den er immer noch hat, wirkt Gigi wie ein kleiner Junge“, sagte sein langjähriger Mitspieler und aktueller Trainer Andrea Pirlo kürzlich. Sportlich kann Buffon auch im fortgeschrittenen Alter noch mithalten. Natürlich hat er nicht mehr die Extraklasse, die ihn über zwei Jahrzehnte zu einem der besten Torhüter der Welt gemacht hat, aber seine Leistungen sind immer noch solide.
Am vergangenen Mittwoch durfte er mal wieder für Stammtorwart Wojciech Szczesny einspringen und parierte gegen Sassuolo im Mapei Stadium beim Stand von 0:0 einen Elfmeter. Juve gewann und hat einen Spieltag vor dem Ende einer desolaten Saison noch eine kleine Chance auf die Champions-League-Qualifikation. An Buffon, mit dem Juve in 13 Spielen nicht verloren hat, lag es sicher nicht, dass die unfassbare Dominanz nach neun Meisterschaften in Serie ein Ende fand. Ein Sieg im Pokalfinale wäre zumindest ein kleiner Trost – und ein würdiger Abschluss für den Torwart. Denn wo Buffon spielt, da werden Titel gewonnen.
Am 19. November 1995 debütiert der damals 17-Jährige für Parma im San Siro beim großen AC Mailand und hält sein Tor sauber. Zehn seiner aktuellen Mitspieler bei Juve sind damals noch nicht einmal geboren. Buffon überdauert und verbindet in Italien mehrere Fußballergenerationen. Er hat in Parma sowie in der Nationalmannschaft noch mit Enrico Chiesa zusammengespielt und steht nun gemeinsam mit dessen Sohn Federico auf dem Platz. In bisher 1105 Profispielen hat Buffon 27 Vereinstitel gefeiert und 2006 die Weltmeisterschaft gewonnen.
Es sind aber nicht in erster Linie die Erfolge, die ihn zu einem der beliebtesten Fußballer überhaupt gemacht haben. Viele Italiener können sich mit Buffon identifizieren, weil er nahbar erscheint und fehlbar ist.
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Kürzlich wurde er für die Verwendung eines im Sprachgebrauch sehr weit verbreiteten Fluchs wegen Gotteslästerung für ein Spiel gesperrt. 2018 sagte er nach einem umstrittenen Elfmeter, der das Aus in der Champions League bedeutete, der Schiedsrichter habe „eine Mülltonne anstelle des Herzens“. Er verlor viel Geld bei Investments in seiner Heimatstadt Carrara, wurde kritisiert für die Wahl der Trikotnummer 88 und schrieb sich an der Uni mit einem gefälschten Zeugnis für Jura ein. Die Liste seiner Verfehlungen ist lang, doch seiner Beliebtheit hat das nicht geschadet.
Am Mittwoch werden sich noch einmal alle Augen auf Buffon richten. Die wenigen Zuschauer werden ihn mit Standing Ovations verabschieden und in einigen Wochen wird der Torwart über seine Zukunft entscheiden. Vielleicht zieht es ihn in die USA, in die Wüste oder doch nach Parma. Bei Juve wird er nie wieder zwischen den Pfosten stehen.