Saisonauftakt bei den BR Volleys: Wie ein Urlaub am Attersee in der Suche nach dem Killerinstinkt endete

Seinen Sommer hatte Kaweh Niroomand sich deutlich anders vorgestellt. Eigentlich wollte der Geschäftsführer der BR Volleys entspannen, die Ruhe am Attersee genießen – neben türkisblauem Wasser, umgeben von einer wunderschönen Berglandschaft. Stattdessen musste er jedoch Löcher stopfen – im Etat und im Kader, denn „es lief alles ein bisschen anders als geplant“.

Um zu verstehen, warum dem so war, muss man ein halbes Jahr zurückgehen bis in den Februar, als Russland den Angriffskrieg auf die Ukraine begann. „Denn der hat auch bei uns viel verändert“, sagt Niroomand und bezog sich damit unter anderem auf den russischen Zuspieler Sergej Grankin, dessen Familie noch in Russland lebte. Das sei keine einfache Zeit für ihn als Spieler und für den Verein gewesen. „Wir verurteilen den Krieg, aber nicht den einzelnen Menschen oder Sportler, der dafür nichts kann“, betont Niroomand.

Wenn das Mittelgeschoss rausgezogen wird, bricht das Haus erstmal zusammen.

Kaweh Niroomand

Am Ende der Saison, nachdem die Volleys erneut Meister geworden waren, entschied sich Grankin dann, zurück in seine Heimat zu gehen und löste mit seinem Abschied einen kleinen Domino-Effekt aus. So beendete Benjamin Patch, der eng mit Grankin befreundet war, seine Karriere. „Wenn das Mittelgeschoss rausgezogen wird, bricht das Haus erstmal zusammen“, fand Niroomand die entsprechende Metapher. Er könnte sich vorstellen, dass ein paar Spieler noch etwas länger geblieben wären, wenn Grankin nicht gegangen wäre, sieht aber auch wirtschaftliche Gründe wie die finanziellen Bedingungen in der polnischen Liga, in die Libero Santiago Danani wechselte.

Die entschlossene Miene hat Ruben Schott schonmal, jetzt müssen er und seine Kollegen noch die nötige Mentalität zeigen.
Die entschlossene Miene hat Ruben Schott schonmal, jetzt müssen er und seine Kollegen noch die nötige Mentalität zeigen.
© IMAGO/Contrast

Eigentlich sei der Plan gewesen, acht bis zehn Spieler zu halten und den „Vorteil des Eingespieltseins“ zu nutzen. Stattdessen mussten Niroomand und Trainer Cédric Énard gleich sechs neue Spieler suchen und das in einer Zeit, in der die meisten bereits Verträge unterschrieben hatten. „Ich habe schon vor Jahren gesagt: Wenn ich irgendwann mit dieser Tätigkeit aufhöre, dann sind die Spielerberater der erste Grund“, kritisiert Niroomand. Sie würden das Karussell immer weiter vorantreiben. Gingen die Verhandlungen früher im April oder Mai los, beginnen sie heute zum Teil schon im Herbst, wenn die Saison gerade einmal angefangen hat. „Im Sommer hatte ich also drei Monate einen Full-Time-Job.“

Doch trotz aller Strapazen ist er zufrieden mit dem Ergebnis. Er sieht viel Potenzial, vor allem auf Spielebene. Nun gehe es darum, sich auf die mentale Ebene zu konzentrieren und die richtigen „Killerinstinkte“ zu entwickeln. Das „Ich-bin-der-Killer-Gen“ müssten einige Spieler erst noch aufbauen. Eine wichtige Rolle soll der neue Zuspieler Ángel Trinidad übernehmen, der zum Kapitän ernannt wurde, und mit Cody Kessel und Ruben Schott den Mannschaftsrat bildet.

Aufgaben in der Bundesliga und Champions-League

Auch Trainer Cédric Énard, der erst vor ein paar Wochen dazugestoßen ist, weil er die kroatische Nationalmannschaft trainiert, ist zufrieden mit dem, was er bisher gesehen hat. „Das Mindset ist gut, die Jungs sind ehrgeizig.“ Bei einigen Freundschaftsspielen konnten sie das gegen andere europäische Vereine bereits unter Beweis stellen, zuletzt in Polen, wo sie allerdings zwei Niederlagen einstecken mussten.

„Die Ergebnisse waren nicht immer positiv, aber am wichtigsten war es, überhaupt die Möglichkeit zu haben, gegen so starke Teams zu spielen“, findet Énard. Er wolle sich stattdessen auf den Prozess konzentrieren und an der Effizienz auf dem Feld arbeiten, bevor am 9. Oktober das erste Bundesligaspiel gegen Haching auf dem Programm steht und im November die Champions-League-Spiele beginnen. Dort gibt es in dieser Saison einen neuen Modus, sodass mehr Teams in das Viertelfinale einziehen können. Énard warnt zwar davor, die Gegner zu unterschätzen aber er sagt auch: „Der Pool ist offen.“

Das Mindset ist gut, die Jungs sind ehrgeizig.

Cédric Énard

In der Bundesliga müssen die Volleys sich derweil gegen einen Gegner weniger behaupten, nachdem Frankfurt keine Lizenz erhalten hat. Langfristig hofft Niroomand, dass weitere Vereine aufsteigen. Dabei seien sowohl die Erstligisten gefragt, die ihnen die Scheu nehmen müssten, als auch der Verband, der Standortentwicklung betreiben müsse. „Lüneburg und Giesen haben bewiesen, dass das funktioniert.“

Das wird sich auch am Wochenende zeigen, wenn in Giesen erstmals der Bouncehouse-Cup stattfindet, bei dem alle Bundesligisten an drei aufeinanderfolgenden Tagen den ersten Titel der Saison ausspielen (Übertragung auf Twitch/Spontent). Den Favoriten sieht Niroomand in Düren, da hat sich die Mannschaft sich im Vergleich zur vergangenen Saison kaum verändert.

Aber Énard erinnert auch daran, dass es in der DNA der Volleys läge, zu gewinnen. Zu 100 Prozent sei sein Team zwar noch nicht bereit, aber so ergehe es ja allen Teams. Und so ergeht es nach diesem Sommer wohl auch Niroomand, aber der Attersee ist auch im Winter noch sehr schön.

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