Nachruf auf Hans Helmut Prinzler: Der Vater des Filmhauses
Die letzte E-Mail von Hans Helmut Prinzler trudelte noch am 6. Juni im Postfach ein. Es war sein monatlicher Newsletter, adressiert an die „Freundinnen und Freunde der Filmliteratur“, mit dem der langjährige Leiter der Deutschen Kinemathek nach seiner Pensionierung 2006 weiter seiner Leidenschaft nachging. Auf seiner Website www.hhprinzler.de publizierte Prinzler noch bis vor wenigen Tagen unermüdlich Kritiken von Filmbüchern und Filmen, kurze Web-Einträge und gab Empfehlungen für eine kleine, aber treue Anhängerschaft, die sich sowohl für den populären zeitgenössischen Film als auch für die Filmgeschichte interessiert. Am Sonntag ist Hans Helmut Prinzler überraschend im Alter von 84 Jahren gestorben.
Das Wort Ruhestand gab es nicht im Vokabular von Prinzler, dessen Biografie eng mit den zwei wichtigsten Filminstitutionen der Stadt verflochten ist: der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (Dffb), an die er 1969 nach seiner Anstellung am Institut für Publizistik der FU Berlin wechselte, sowie der Deutschen Kinemathek, für die von 1979 bis 2006 arbeitete – ab 1990 auch in leitender Funktion.
Die Vermittlung von Film und Filmgeschichte war dem gebürtigen Berliner schon eine Herzensangelegenheit, als er ab den späten sechziger Jahren an der Dffb für die Studienleitung verantwortlich war. Auch darum blieb er dem Medium Filmbuch stets treu. Seinem Engagement war es allerdings auch zu verdanken, dass die Kooperation von Dffb und NDR, mit Hilfe des Dozenten und Dokumentarfilmers Klaus Wildenhahn, Früchte trug. Der Sender strahlte im Herbst 1970 einen Beitrag der Gruppe Wochenschau aus.
Mit seinem Wechsel an die Deutsche Kinemathek, die zu dieser Zeit ebenfalls dem damaligen Dffb-Direktor Heinz Rathsack unterstellt war, konkretisierte sich ein Projekt, das Rathsack schon länger beschäftigt hatte – und dann zwanzig weiter Jahre bis zur Vollendung brauchte: das Filmhaus, das letztlich am Potsdamer Platz eine Heimat fand. Es war auch Prinzlers Einsatz zu verdanken, dass dieses Unterfangen die Wendezeit überdauerte. Als „Vater des Filmhauses“ bezeichnete ihn der langjährige Sammlungsleiter der Kinemathek Werner Sudendorf anlässlich seines 70. Geburtstags.
Die Idee eines Filmhauses war aus der – auch personellen – Nähe der beiden Einrichtungen entstanden, die sich schon in den 1960er Jahren in der Pommernallee am Theodor-Heuß-Platz unter einem Dach befanden. Gemeinsam wechselten sie zur Jahrtausendwende zusammen mit dem Arsenal an den Potsdamer Platz. Mit dem Auszug aus dem Sony Center zum Ende 2024 hat sich dieses Langzeit-Projekt jedoch wieder nur als endlich erwiesen. Dennoch profilierte sich unter Prinzlers Leitung die Kinemathek, mit ihrer Publikationsabteilung und dem Museum für Film und Fernsehen, noch einmal. Den Weg dahin ebnete unter anderem die Ausstellung zum 100. Geburtstag des Kinos, die 1995 im Gropius Bau gezeigt wurde.
Der Direktor der Kinemathek Rainer Rother erinnert sich an Prinzler als einen Mentor für viele jüngere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Sein Stilgefühl war unübertroffen, so auch sein Wissen um Film und Filmliteratur – das gab dem Haus eine wunderbare Orientierung.“ Gelegentlich trat Prinzler später auch wieder als freier Journalist und Filmkritiker in Erscheinung, so auch für den Tagesspiegel.
Seinen Ruhestand nutzte Prinzler auch dazu, um noch ein Mal unter die Filmemacher zu gehen. Zusammen mit dem Kritiker Michael Althen veröffentlichte er 2008 den Dokumentarfilm „Auge in Auge – Eine deutsche Filmgeschichte“, gewissermaßen eine Erweiterung seiner publizistischen Tätigkeit, in der es immer auch darum ging, das Sehen im Kino zu erlernen. Als Museumsleiter wie auch als Kurator der Filmabteilung der Akademie der Künste prägte Hans Helmut Prinzler die Berliner Kulturlandschaft. Insbesondere aber den Film, der wie keine andere Kunstform dazu angetan war, „die eigene Geschichte darin zu erkennen“, wie es in „Auge in Auge“ einmal heißt.