Eröffnung von „Play“ im Chamäleon Theater: Akrobaten im Bällebad

Immer gut, wenn Menschen ihre Absichten ankündigen. „Falling“ ruft ein Akrobat und fällt nach hinten um. „Falling“ tut es ihm gleich eine Akrobatin, die gerade auf den Köpfen zwei Kollegen balanciert und stürzt sich hinab. Überall auf der quadratischen Bühne, die in den Saal des Chamäleon Theaters ragt, ertönt derselbe Ruf.

Kaum schreit jemand, hechtet ein anderer oder zwei andere hin, um die Fallenden aufzufangen. Ein bisschen wie bei diesen gruppendynamischen Spielchen, wo sich Menschen im Vertrauen auf die Umstehenden fallen lassen sollen, nur deutlich schneller und virtuoser. Rumms, da kracht prompt einer auf den Rücken. Die Pointe: nicht immer nützt das Rufen.

Fünf Männer, zwei Frauen und ein Musiker, der Elektrosamples abfährt und am Bühnenrand Schlagzeug spielt – das ist die australische Kompanie Gravity & Other Myths, die nach sechs Monaten und zwei Premieren als Company in Residence in den Hackeschen Höfen nun die Gastspielreihe „Play“ einläutet.

Mit „A Simple Space“, einer gut einstündigen, witzigen, ziemlich atemberaubenden Show, die das vor zehn Jahren uraufgeführte, in Berlin aber noch nie gezeigte Erstlingswerk der Truppe darstellt. Einst vorgestellt und von einem deutschen Agenten entdeckt auf dem Edinburgh Fringe Festival, der jährlichen Leistungsschau der leichten Muse im Bereich Show, Theater, Comedy.

Die puristische Produktion begann als Freundschaftsding ohne Budget. Mit ihren vier Lichtsäulen samt Spots, die die Artisten selber an- und ausknipsen, den Straßenklamotten und sparsamsten Requisiten, sieht sie auch so aus. Doch inzwischen hat „A Simple Space“ 1000 Vorstellungen in 34 Ländern absolviert, was in dieser Branche eine Seltenheit ist.

Mit klassischer Artistik hat die temporeiche Boden- und Handstandakrobatik der Australier durchaus etwas zu tun. Aus dem Stand hauen sie Saltos, Pirouetten und zweistöckige Pyramiden raus, springen sich gegenseitig auf Gesichtern und Bäuchen herum, werfen sich wie Sandsäcke umher.

Trotzdem atmet „A Simple Space“ in seinem präzise trainierten, aber trotzdem wie improvisiert wirkenden Gestus ganz den hippen Geist des Neuen Zirkus. Einer Körperkunst, die sich bei allen performativen Genres bedient und die Formalismen des traditionellen Varietés ablehnt. Bei Gravity & Other Myths Inklusive Kinderspielen wie Seilspringen und in bunten Bällen baden oder Jahrmarktsattraktionen wie Luftballonfalten.

In fließenden Bewegungen verballen sich die Körper, löst sich die Gruppe zu treibenden Beats wieder in Individuen auf. Das Publikum staunt und ruft Ah und Oh. Am Ende ernten sie Jubel und eine goldene Riesen-Tausend für diesen selten fröhlichen Abend.

Zur Startseite