Liebes Leben, ich sag mal Gracias
Ganz am Schluss legt sie noch einmal einen wilden Ritt durchs Repertoire hin, tippt in einer messerscharf montierten Sound-Collage Hits aus all den Werken an, bei denen sie schon mitgespielt hat, mixt Musical mit Chanson, streut Evergreens ein. Mit diesem schlicht „Au Bar“ betitelten Programm gratuliert Katharine Mehrling dem Spiegelzelt zum 30-jährigen Gründungsjubiläum (weitere Aufführungen vom 30. August bis 3. September).
Sie selbst steht schon viel länger auf der Bühne: Im Licht der Discokugel ist sie aufgewachsen, in der Musikkneipe, die ihre Eltern im Hessischen betrieben, musste dann raus in die Welt, hat in London gelebt und in Paris, ist den harten Karriereweg durch die deutschen Stadttheater gegangen, schließlich in Berlin ganz bei sich angekommen und hier zur großen Interpretin gereift.
Eine tolle Band steht ihr zur Seite
Jetzt erschreckt sie ihre Fans erst einmal mit einer bratzigen Rockversion von „L’homme à la moto“, Edith Piafs 1955er-Song über einen PS-verrückten Lederjackentypen, schwenkt mit ihrer famosen Band dann aber schnell in jazzige Gefilde ein. Später wird es natürlich auch leise und intim, bleibt jedoch stilistisch stets vielfarbig. Neben deutschen und französischen Nummern wird sie Englisches und Spanisches singen, Kindertröte, Baby-Saxofon und Mini-Ukulele kommen an diesem bunten Abend zu Einsatz, die vier Musiker haben aber auch ausgewachsene Instrumente dabei.
Diese Künstlerin ist allen Menschen liebevoll zugewandt
Zwischen den Nummern erzählt Katharine Mehrling ein wenig aus ihrem Leben, beispielsweise, dass sie gerade geheiratet hat – und sie singt als Kontrast zu den Aznavour-, Trenet- und Weill-Klassikern ein halbes Dutzend eigener Songs. Die haben meist eine selbstironische Note, so wie die Geschichte vom verunglückten Date mit einem „Makrobiot“ oder „Castrop-Rauxel“, die Ballade von der Bürde, ein Star in der Provinz zu sein.
Katharine Mehrling, das darf man ruhig so pathetisch sagen, steht im Zenit ihrer Kunst, schreitet selbstsicher auf eigenen Wegen, zwischen Kleinkunst und Unterhaltungsmusiktheater, macht die altvertrauten Piaf-Chansons souverän zu ihren eigenen, powert sie auch mal mutig auf, wie „La Foule“. Vor allem aber vermag sie, auf ihre charmante, allen Menschen liebevoll zugewandte Art, positive Energien freizusetzen, bei sich wie auch bei ihrem Publikum. Weil sie es wirklich so meint, wenn sie „Gracias a la Vida“ singt oder „I Wish You Love“.