Kunsttourismus: Marketing mit Meisterwerken

In Italien gibt es nur Pizza und Pasta? Leonardo und Botticelli? Alles Klischees! Doch genau damit will das italienische Tourismusministerium Reisende ins Land locken. In einem Clip schickt das staatliche Fremdenverkehrsamt Enit ausgerechnet Botticellis „Venus“ auf Werbetour. Während das Original weiter unbeschadet nackt in den Uffizien hängt, düst eine computergenerierte „Influencerin“ in Gestalt der Renaissance-Schönen durch Bella Italia. Die digitale Neugeburt isst neapolitanische Pizza am Comer See, radelt am Kolosseum vorbei, macht Selfies auf dem Markusplatz und zeigt sich im Skidress in den Bergen.

Gabi Czöppan fragt sich, warum das Kulturland Italien für seine Kunst nur mit Klischees wirbt

Kurz nachdem die Kampagne unter dem Titel „Open to meraviglia“, offen für Wunder, online und auf Plakaten an Flughäfen und Bahnhöfen in halb Europa startete, hagelte es Kritik. Die Venus-Ikone werde zur „neuen Barbie“ gemacht, Kunsthistoriker nannten die rund neun Millionen Euro teure Kampagne „grotesk“ und eine „obszöne Geldverschwendung“. Statt auf Instagram Klicks zu generieren, folgten Memes mit der neuen Venus auf der Mülltonne oder an der Seite eines Mafia-Bosses.

Zudem spielt eine Szene des Clips, in der sich junge Leute bei einer Weinprobe zuprosten, offenbar in Slowenien – die Weinflasche auf dem Tisch trägt das Etikett der Region. Man hatte zu kostengünstigem Archivmaterial gegriffen. Die deutsche Version der Website, von einem Computerprogramm automatisch übersetzt, strotzte vor Fehlern. Da wurde aus der Stadt Prato „Rasen“ und aus Salve in Apulien ein „Hallo“. Sie ist mittlerweile offline.

Dabei kann ein Computer durchaus hilfreich sein, wenn es um originelle Werbung mit Kunstwerken geht. Wie das geht, zeigte Dänemark in seiner neuen Tourismus-Kampagne im Frühjahr. In dem Werbespot „Don’t be a tourist – be an explorist“ werden Meisterwerke wie die Mona Lisa oder ein Van-Gogh-Selbstporträt durch künstliche Intelligenz zum Leben erweckt. Lächelnd berichten sie in den Videos von ihrem Schicksal als viel besuchte Attraktionen und raten Besuchern, auf der nächsten Reise die ausgetretenen Pfade zu verlassen und die alltäglichen Wunder Dänemarks zu entdecken. Statt sich vor berühmten Kunst­werken zu drängen, empfehlen sie Touristen Städtetrips mit dem Fahrrad und die dänische Küche. Das klingt nach nachhaltigem, sanftem Tourismus. Kaum zu glauben, dass neben der Optik auch jedes Wort der Werbefilme von ChatGPT und anderen AI-Programmen generiert wurde. Nur ins Land reisen sollen wir dann doch nicht virtuell, sondern ganz real.