In der Hitze des Sommers
Das Freibad – Sehnsuchtsort für Jung wie Alt, der Abkühlung, Spaß und ein Stück weit Freiheit bietet. Der Gang hierher ist eine Flucht aus dem Alltag, ein Urlaub im Kleinen. Doch der Schein trügt, denn auch dort lassen sich die Dynamiken der Gesellschaft und des Zusammenlebens nicht einfach ausschalten. So auch im Comic „Freibad“ (Jaja-Verlag, 296 Seiten, 29 Euro) von Paulina Stulin, der in einem Sommerbad nur für Frauen spielt.
Er beruht auf dem Drehbuch zu Doris Dörries gleichnamigem neuen Film, der am 1. September in die Kinos kommt, wenngleich der Comic ohne Kenntnis des zu der Zeit noch nicht fertiggestellten Films entstand. Das Skript wurde von Dörrie zusammen mit Karin Kaçi und Madeleine Fricke geschrieben und basiert lose auf wahren Begebenheiten.
Während eines Jahrhundertsommers suchen immer mehr Frauen Abkühlung und Entspannung am Pool. Das gefällt den Stammkundinnen gar nicht, zumal manche der Neuankömmlinge im Burkini baden. Das wird als Angriff auf ihre im Feminismus der 70er erkämpfte Freiheit verstanden, es kommt zu Auseinandersetzungen.
Als die genervte Bademeisterin kurzfristig kündigt und sich keine Nachfolgerin findet, wird ausgerechnet ein Mann angestellt. Das bringt die aufgeheizte Stimmung zum Überkochen, eine Eskalation scheint unvermeidlich.
Im Mikrokosmos Freibad verhandelt der Comic einige Themen der sozio-kulturell vielfältigen Gesellschaft. Körperpolitik und die Frage, wie Frauenrechte verteidigt und weiter erstritten werden, stehen dabei ebenso im Vordergrund wie Generationskonflikte oder kulturelle und religiöse Unterschiede.
Weiche Linien, starke Mimik
So bilden sich hier feministische Diskurse ab, die auf die Gesamtgesellschaft übertragbar sind. Die Erzählung bleibt durch humorvolle Einwürfe und Situationen jedoch luftig und leicht verdaulich. Man kann über all das nachdenken, muss es aber nicht.
Stulins Zeichnungen ziehen das Publikum nah an das Geschehen heran. Stimmungen werden durch ihre weiche Linienführung empathisch eingefangen, die Protagonistinnen haben ausdrucksstarke Mimiken. Immer wieder stehen die Gesichter der Figuren im Fokus. Die Koloration ist aufwendig und wirkt vor allem in den Momenten am stärksten, wenn die Perspektive herauszoomt und die Handlung kurz innehält.
„Freibad“ fügt sich nahtlos in Stulins Werkhistorie ein. Mit ihrem vorigen Comic „Bei mir zuhause“ bereitete sie ebenfalls gesellschaftliche Themen im Alltäglichen auf. Stulin bezeichnet das Zeichnen als „Papierspiegel“ für unsere Welt.
Sie und das Drehbuch-Team tragen mit diesem Comic nicht nur zum gesellschaftlichen Diskurs bei. Sie liefern auch die perfekte Sommerlektüre, die zum Nachdenken anregt und Fragen stellt, die sich gut bei einem Eis besprechen lassen.