Gaston vor Gericht

Eigentlich ist es ganz einfach: stirbt der Autor, endet das Werk, sofern nicht anders vertraglich geregelt. Darum gibt es neue Romane aus der Welt von „Dune“, aber keine aus der Welt von „Herr der Ringe“. Darum gibt es neue „Asterix“-Bände, aber keine von „Tim und Struppi“.

Aber was, wenn es nicht eindeutig geregelt ist? Wie bei „Gaston“. Der anarchische Bürobote Gaston Lagaffe war 1957 von dem Belgier André Franquin als Nebenfigur für das frankobelgische Comicmagazin „Spirou“ erfunden worden. Wäre es nicht ein solcher Widerspruch zur Figur, die sich immer wieder auf höchst kreative Weise ihrer Arbeit als Bürobote verweigerte, könnte man sagen, dass Gaston sich schnell hocharbeitete – zur Hauptfigur, zum Maskottchen des Blattes.

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Als Franquin 1997 starb, endete „Gaston“. Das galt sogar für die letzte, unvollendet gebliebene Seite, die Franquin noch begonnen hatte und die von niemandem fertig zeichnet werden durfte. „Gaston“ sollte mit Franquin enden. Weil die Serie aber ungeheuren Erfolg hatte, war der Hunger vor allem des Verlags Dupuis groß, bei dem „Gaston“ erscheint (in Deutschland ist es der Carlsen-Verlag).

André Franquin auf einem Archivbild von 1989.Foto: Pierre Bessard/AFP

Eine Weile wurde versucht, Franquins Diktum kreativ zu umgehen. Bereits 1983 war die Parodie „Baston“ erschienen. Ab 2011 folgten zwei Bände der Serie „Gastoon“, die vorgaben, Jugendabenteuer einer Gaston verblüffend ähnlichen Figur zu schildern. Und 2017 erschienen zwei Hommage-Bände, in denen verschiedene Zeichner mehr oder minder erfolgreich versuchten, Franquins Figur nachzuahmen.

Rückblickend wirken vor allem die letzten vier Bände wie ein Herantasten an eine Fortsetzung der Reihe. Und tatsächlich waren für April diesen Jahres neue „Gaston“-Comicseiten angekündigt, produziert vom kanadischen Comiczeichner Marc Delafontaine, Künstlername Delaf. Dessen neues „Gaston“-Album mit dem Titel „Le Retour des Lagaffe“ sollte im Oktober erscheinen.

Unterstützung von namhaften Comiczeichnern

Doch die Veröffentlichung der ersten neuen Seiten wurde im letzten Augenblick von Franquins Tochter und Erbin Isabelle durch eine Klage gestoppt.

Klassiker: Eine Szene aus dem Gaston-Band „Letzte Katastrophen“.Foto: Carlsen

In einem Eilverfahren soll an diesem Montag über die Klage entschieden werden. Es soll einen gordischen Knoten der Juristerei durchschlagen: während Dupuis die Verwertungsrechte an der Figur besitzt, die Franquin 1992 abgetreten hatte, besitzt Franquins Tochter als Erbin Urheber- und Vetorecht. Juristisch muss die Frage geklärt werden, welches Recht schwerer wiegt.

Noch vor dem Prozess wandte sich Isabelle Franquin vergangene Woche in einem offenen Brief an die Leser. Unter der Überschrift „Respektiert die Autoren“ schrieb sie, dass Dupuis’ Vorhaben „eine ganze künstlerische Form schwäche“ (den Comic), und dass die „moralischen Rechte der Autoren respektiert werden“ müssten.

Drastischere Worte findet der Comiczeichner Zep („Titeuf“), der den Brief mitunterzeichnet hat: „Das ist scheiße.“ Zu den weiteren bekannten Comiczeichnern, die unterschrieben haben, gehören Francois Boucq („Bouncer“), Dany („Andy Morgan“) und Frank LeGall („Theodor Pussel), dessen Comics bei Dupuis erscheinen.

Isabelle Franquin hatte bereits 2011 wegen des Erscheinens von „Gastoon“ geklagt, damals konnten sie und der Verlag sich außergerichtlich einigen. Mit dem jetzigen offenen Brief erhöht sie den Druck und macht eine solche Einigung unwahrscheinlich.