Fix und Foxi und der böse Rolf
Viele Kinder des Kalten Krieges lebten im Westen alltäglich in Frontstellung. Wer da einen Geha-Füller hatte, schrieb nie mit Pelikan. Wer Adidas trug, verachtete Puma. Und kaum jemand, der auf Asterix oder Donald Duck hielt, las Fix und Foxi.
Fix und Foxi, da begrüßte stets ein Dr. Rolf Kauka als „Euer Onkel Rolf“ seine „Lieben Freunde!“ Wer war das? Es ist das Verdienst des langjährigen Chefhistorikers des Bundesnachrichtendienstes, Bodo V. Hechelhammer, die erste Biografie des 2000 verstorbenen Fix-und-Foxi-Verlegers Rolf Kauka vorzulegen: „Fürst der Füchse. Das Leben des Rolf Kauka“ (Langen Müller Verlag, 392 S., 25,– €). Dort winkt nun Kaukas Ehefrau Nummer vier mit einem freundlichen Grußwort.
Auf Kaukas Spur stieß Hechelhammer bei der Recherche zur Geschichte des BND in Pullach. Die Hinweise interessierten schon die „Bild“-Zeitung, die sogar klagte, um aus den Akten veröffentlichen zu dürfen – vergeblich. So lässt sich auch bei Hechelhammer nur zwischen den Zeilen erahnen, was er vielleicht weiß, aber nicht schreiben darf.
Sein Porträt des „deutschen Disney“, der von Fix und Foxi zeitweise bis zu 400.000 Hefte wöchentlich bei einer Gesamtauflage von über 300 Millionen heraus brachte, basiert stattdessen vor allem auf sehr vielen Gesprächen mit der Familie und Weggefährten Kaukas.
Hechelhammer gelingt dabei ein seltsamer Kunstgriff. Im Sound an ein kaukaesk-fröhliches Parlando angelehnt, skizziert er einen Kalten Krieger, der „die deutschen Kinder am liebsten nach seinen Idealen umerzogen hätte“. Revanchistisch ist Kaukas Grundton, doch wohin er damit wollte, scheint ihm selbst nur schemenhaft klar gewesen zu sein.
Schwierigkeiten bei der Entnazifizierung
Man muss in Hechelhammers Buch über hunderte Seiten von Detail-Informationen selbst heraussieben, ob der Mann wirklich gefährlich irrlichterte oder eher eine Lachnummer war. Die Lektüre hat etwas von Geheimdienst-Arbeit.
Also los: Der Comic-Macher Kauka reüssiert im Nachkriegs-München, inszeniert sich dort ab 1957 im eigenen Schloss im noblen Grünwald als „Fürst der Füchse“, so der Titel der Biografie. Doch ist er weder, wie er vorgibt, gebürtiger Münchner noch Doktor der Literaturwissenschaften, sondern ein abgebrochener Gymnasiast und gelernter Drogerist, 1917 geboren und aufgewachsen in Markranstädt bei Leipzig.
Kauka, der sich bereits als begeisterter Kriegsoffizier Kontakt zu Geheimdienstkreisen aufbaut, bastelt sein Leben als Legende. Kauka hat Schwierigkeiten bei der Entnazifizierung und veröffentlicht im Kleinst-Verlag der Familie seiner Frau Polizeifachbücher sowie Film- und „Herrenzeitschriften“ mit Aktbild-Covern.
Gelegentlich zeichnet er selbst, darunter auch mal eine antisemitische Karikatur. Als 1951 das erste Micky-Maus-Heft erscheint, ist Kauka mit dem Pabel-Verlag im Bunde, der den kriegsverherrlichenden „Landser“ herausbringt. Gemeinsam kontert man Disney 1953 mit „deutschen Bildgeschichten“ und Sagenfiguren wie Till Eulenspiegel und Münchhausen.
Schon als junger HJ-Führer genoss er Macht
Dort tauchen die Füchse Fix und Foxi auf, der böse Wolf wurde bald zu Lupo. Kauka textet selbst, belehrt moralisch, setzt auf Erziehung, hebt gern den Zeigefinger. Er selbst aber nimmt es nicht so genau, drangsaliert schon mal seine Kinder, wechselt bald rasch Frauen und Familien, enterbt hier die Töchter, maßregelt da seine Mitarbeiter, dirigiert die Geschäfte und Geschichten zeitweilig von Italien aus per Telefon und Tonband.
Der Wehrmachtsoffizier Kauka, schreibt Hechelhammer, habe schon als junger HJ-Führer die „Freude an der Macht“ gespürt. Im Heft 69 marschieren Fix und Foxi im Gleichschritt mit Lupo 1956 für die Wiederbewaffnung der Bundesrepublik, in Heft 101 wird gar von der neuen „Wehrmacht“ geträumt.
Als gewiefter Geschäftsmann verdient Kauka mit der Arbeit seiner Kreativen bald Millionen, die er in Häuser, Jachten, Pferde steckt. Und kapert schon mal Disneys Elefanten Dumbo für seine Hefte, die frankobelgische Lizenzen von Lucky Luke, Gaston oder den Schlümpfen schmücken.
Auch für Asterix erwirbt er günstig die Übersetzungs-Lizenz, doch den lässt er zu „Siggi“ und „Babarras“ (Obelix) germanisieren, die plötzlich von „der Zeit als wir am Dnepjr standen“ schwadronieren und das kleine „Bonnhalla“ gegen amerikanische Besatzer verteidigen. In „Die Goldene Sichel“ treffen sie auf „einen jiddisch sprechenden Händler namens Schieberus“. Es ist gruselig. Die Satire-Zeitschrift „Pardon“ berichtet den Skandal und Kauka ist seine vielleicht lukrativste Lizenz wieder los.
Als in Paris, Berlin, Frankfurt die Comic-Kinder der 50er als Avantgarde der 60er protestierend auf die Straße ziehen, viele geschult an der ironischen Differenz von Bild und Blase in Asterix und der Dialektik von Kapital und Glück bei Donald und Dagobert, nutzt Kauka seine Comics weiter als Kassiber für seltsame Botschaften.
Zu Weihnachten 1967 ruft der Mann in „Fix und Foxi“ auf, für den inhaftierten Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß zu beten. Man traut seinen Augen nicht.
Er herrscht schrankenlos im Verlag wie im Privatleben
Dass er sein Vermögen auch durch günstige sozialistische Lohn-Zeichner im einst von der Wehrmacht besetzten Jugoslawien macht, wen schert’s … Geschmeidig lässt er nebenbei für Werbe-Trickfilme etwa für BMW zeichnen und fertigt über seine BND-Kontakte Ausbildungsfilme für Bundeswehr und Spionageabwehr. Seine „NS-Vergangenheit stellte kein Problem dar“, schreibt Hechelhammer und man ahnt dann allmählich doch, warum der Geheimdienst nur wenig Lust auf Veröffentlichungen aus der Akte Kauka hat.
Wie ein „Dagobert in seinem eigenem Comic“ sei Kauka, meint einer seiner vorübergehenden Schwager, und das trifft diesen Narzissten wohl ganz gut, der Geld und Güter sammelt und auch den gerade eingeführten Urheberschutz für seine Kreativen sofort aushebelt. Er herrscht schrankenlos in seinem Verlag wie in seinem Privatleben, überwacht das Haus bis hin zum Verbrauch der Butter der Familie und was schließlich doch erstaunt, ist, mit welcher detailverliebten Genauigkeit sich Hechelhammer der Schilderung dieses selbstherrlichen und selbstverliebten Menschen hinzugeben vermag.
Warum er neben dem „Fürsten“ nicht auch dessen Füchse und die Comics stärker ausleuchtet, wundert. Wer Fix und Foxi nicht kannte, erfährt hier wenig über sie und nichts über Professor Knox, Lupinchen, Tante Eusebia oder zu den Vorwürfen, dass Kauka Storylines vom großen Disney plagiierte. Gezeichnet hat Kauka, der gerne vor Zeichnungen posierte, übrigens für seine Hefte faktisch nicht.
Dem Fürsten der Füchse sind Fix und Foxi vor allem Mittel zum Zweck, wohl auch deshalb kann er sie nicht loslassen. Kauka verkauft den Verlag mehrfach, behält aber stets die Rechte an seinen Figuren. Und das ist schließlich ihr Ende. Wo Asterix und Donald zu Weltmarken werden und in ihren Merchandising-Welten Milliardenumsätze garantieren, geraten Fix und Foxi seit Mitte der Neunziger in Vergessenheit.
„Mach anderen Freude, dann hast Du Deinen Spaß“ war Kaukas Motto. Da möchte man nach diesem Buch dann fast doch noch lachen.