Filmplakate-Schau am Kulturforum: Gemalte Illusionen
Kunst und Kommerz kommen selten so plakativ zusammen wie in der Kinowerbung. Das Filmplakat ist beides: Eyecatcher für die Massen, die mit Hilfe des kleinsten gestalterischen Nenners in einen Film gesogen werden sollen und ästhetischer Ausdruck der grafischen Kunst und seiner Zeit.
Die Kunstbibliothek zeigt in der Schau „Großes Kino“ in der Sonderausstellungshalle am Kulturforum auf zwei Etagen 300 Originale, in denen beide Aspekte zusammenkommen. Weil die Plakate aus der hauseigenen Sammlung stammen und die Präsentation der dort gehorteten Schätze im Vordergrund steht, bekommt man beim Herumgehen trotzdem leichter den Eindruck, als seien Filmplakate eine Kunstform und nicht der Werbeträger, der sie sind. Gestalterischer Schund bleibt weitgehend draußen.
Am Ende der chronologisch aufgebauten Plakate aus zwölf Jahrzehnten Kinounterhaltung – von 1905 bis heute – relativiert sich der Eindruck des Hochwertigen wieder: Die digital auf LED-Wänden im Stadtraum, auf Social Media und im Internet ausgespielte „Art Work“ beispielsweise von Marvel-Blockbustern beschränkt sich gestalterisch vor allem darauf, die mitspielenden Stars zu zeigen.
Möglichst alle, um viel Fan-Interesse zu binden. Und das gern in Form eines Gruppenfotos kernig dreinblickender Protagonisten, das so niemals im Film vorkommt. Eine Gestaltungsidee, die – auch in der Variante nur schwebende Köpfe zu zeigen ¬– in den 2000er Jahren aufkommt, wie das Plakat zu „Der Herr der Ringe“ zeigt. Seinen Ursprung hat der Starkult allerdings knapp hundert Jahre früher. Da prangen Plakate mit den künstlerisch stilisierten Konterfeis von Stummfilmheldinnen wie Asta Nielsen und Buster Keaton, oder mit Charlie Chaplins ikonischer Körpersilhouette.
Neben die Aufschlüsselung der grafischen Entwicklung und der eingesetzten künstlerischen Mittel wie Malerei, Typologie, Fotografie und Collage setzt „Großes Kino“ noch eine andere Erzählung: die der Faszination für die Kunstform Film und ihre Plakate, die Stimmung, Story, Stars und Genres möglichst kongenial repräsentieren. Und die Begeisterung für gute Gestaltung, wie sie etwa in dem knackig reduzierten Entwurf von Hans Hillmann steckt, einer Grafiker-Koryphäe der sechziger Jahre.
Sein Wiederaufführungsplakat für den 1925 entstandenen Klassiker „Panzerkreuzer Potemkin“ von 1967 zeigt die minimalistische Anordnung eines weißen und schwarzen Blocks, in dem zwei stilisierte schwarze Geschützrohre für eiskalte Theatralik sorgen.
26 Menschen aus der Film- und der angeschlossenen Plakatdesignbranche sind mit der Auswahl ihres „Lieblingsplakats“ aus der Sammlung der Kunstbibliothek vertreten. Und mit Interviews dazu, die sich per Audioguide anhören und im üppig bebilderten Katalog nachlesen lassen. Ein schöne, das Sujet aus Papier und Pixeln versinnlichende Idee. Mit ausgewählt hat sie Mariette Rissenbeek, die Geschäftsführerin der Berlinale.
Schauspieler und Regisseur Kida Khodr Ramadan ist auch dabei. Sein Favorit ist das Plakat von Fatih Akins wuchtigem Drama „Gegen die Wand“. Er sei in Kreuzberg um die Ecke vom Kino Moviemento groß geworden, erzählt er. Da habe er sich als Kind immer die Plakate angesehen und davon geträumt, dort selber einmal mit seinen zu hängen. Ein Plakat liefere einen riesigen Impuls, einen Film wie „Gegen die Wand“ anzusehen, sagt er. „Und wer ihn dann gesehen hat, denkt: ,Danke, liebe Litfaßsäule!‘“
Jasmin Tabatabai erzählt
Kollegin Jasmin Tabatabai analysiert die Wirkung des roten Mundes auf dem schwarzen Plakatgrund der „Rocky Horror Picture Show“. Einige Meter vom Plakat entfernt ist der als Bewegtbild auch im „Vorspann-Kino“ zu sehen, einer Filmecke, die die Gestaltung von Titelsequenzen würdigt. Bei dem Kultfilm von 1975, den Tabatabai als Mädchen ob seiner Verruchtheit lange nicht sehen durfte, ist beides identisch: Tim Currys lasziv singender roter Mund beherrscht Leinwand und Plakat. „Es ist das perfekte Filmplakat“, urteilt Tabatabai, „einmal gesehen, vergisst du es nie!“
Das trifft auch auf Boris Bilinskys Plakat von „Metropolis“, von dem Kuratorin Christian Thomsen beim Rundgang sagt, dass es das einzige Original des Entwurfs für den französischen Werbemarkt von 1927 sei. Ein expressionistisch-neusachliches Steingebirge in Blaugrau, aus dem der Filmtitel in Rot hervorleuchtet in XXL-Version. Die megalomane Stadt der Zukunft, Fortschrittsversprechen und Entfremdungskulisse in einem.
Dass Farben ein wichtiges psychologisches Mittel sind, um visuelle Codes für den auch aus Kostengründen immer internationalere Kampagnen entwickelnden, internationalen Filmmarkt zu etablieren, ist ebenso wie die Unterschiede in der Gestaltung für Mainstream- und Indiefilme Thema. Orange und Schwarz werden gern bei Actionfilmen eingesetzt. Und ein weißer Hintergrund mit viel Leerstellen ist laut „Großes Kino“ häufig bei schrägen oder ironischen Komödien wie beispielsweise „Forrest Gump“ zu finden.
Überraschend witzige Plakatmotive häufen sich ausgerechnet in der DDR-eigenen Plakatproduktion für internationale Filme. Das aus einer persiflierenden Kombi aus Cowboyhut-Silhouette und Mundharmonika-Hand bestehende Motiv für „Spiel mir das Lied vom Tod“ etwa oder das an der spacigen Graffiti- und Comicästhetik der 80er orientierte Plakat für „Star Trek“. Beide sind klassisch gemalt.
Ganz anders im Kapitel „Film als Marke“. Da schnurrt die Essenz eines Films auf ein Logo zusammen: der Fledermaus-Schatten von „Batman“, die Dino-Silhouette von „Jurassic Park“ oder das pinke B des Sommerhits „Barbie“. Allesamt „Key Visuals“, die sich bestens zur Vermarktung nicht nur des Films, sondern auch von Merchandising-Produkten eignen. Im Kapitalismus ist auch ein griffiges Branding Kunst. Nur Künstler braucht es dafür keine mehr.