„Das Allerwichtigste ist der Austausch mit den Spielern“
Als der Freistoß von Verteidiger Alexander Hahn über die gegnerische Mauer fliegt und unhaltbar im Winkel landet, ist Roman Steinweg gerade auf dem Nebenplatz beschäftigt. Er verzieht keine Miene. Der Athletiktrainer des Berliner Fußball-Drittligisten Viktoria 89 bereitet gleich fünf Spieler auf ihre Einwechselung vor, mit bunten Hütchen und elastischen Bändern, die die Spieler um die Knie tragen.
Seine Aufgaben an Spieltagen sind vielfältig. Auch am Sonntag beim Spiel gegen den Mitaufsteiger SC Freiburg II (13 Uhr, live bei Magentasport) wird er wieder alle Hände voll zu tun haben. Er baut vor dem Spiel die Übungen auf, mischt Elektrolytgetränke zusammen und versorgt die Spieler in der Halbzeit mit Trockenobst und salzigen Brezeln. Gemeinsam mit Co-Trainer David Pietrzyk wärmt er die erste Elf auf und während des Spiels die Einwechselspieler. Schon nach zehn bis zwölf Minuten geht er mit ihnen an den Spielfeldrand, damit Trainer Benedetto Muzzicato jederzeit reagieren kann.
Steinweg hat einen Master in Sportwissenschaften. Neben Viktoria trainiert er auch die Junior:innen der Jugendnationalmannschaften beim DFB. Dabei hat er Fußball selbst nur auf dem Bolzplatz gespielt, entschied sich aber während des Studiums, dass er so professionell wie möglich arbeiten möchte. Und das ist in Deutschland nun mal vor allem im Fußball der Fall.
Als er Anfang 2019 zu Viktoria kam, begann gerade die Professionalisierung im Verein. Schon zu Regionalligazeiten wurden Vollzeitstellen geschaffen. „Was sich seitdem getan hat, ist enorm. Wir sind noch nicht da, wo wir gerne hin wollen, aber wir sind auf einem sehr guten Weg“, sagt Steinweg.
Lasse sich die späten Tor auf die körperliche Verfassung zurückzuführen?
Hahns Freistoß bleibt das Tor des Tages. Viktoria gewinnt das Testspiel gegen die Reserve von Hertha BSC am Mittwochmorgen knapp mit 1:0. Benedetto Muzzicato hat dabei vor allem Spieler eingesetzt, die in der Dritten Liga gerade nicht so viel Spielzeit bekommen. „Man hat 25 unterschiedliche Menschen und am Ende möchte man versuchen, alle auf ein gleiches Level zu bringen“, sagt Steinweg. Keiner der Spieler, die beim Sieg am vergangenen Wochenende gegen Wehen Wiesbaden in der Startelf standen, war beim Test gegen Herthas U23 dabei, nicht einmal auf der Bank.
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Auch gegen die Wiesbadener war Viktoria ein ganz später Treffer gelungen, wie schon in den drei Spielen zuvor. Ob die späten Tor auf eine gute körperliche Verfassung der Mannschaft zurückzuführen seien? „Klar, Körper und Geist hängen ja schon miteinander zusammen“, sagt Steinweg. „Zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle zu sein, das hat natürlich auch was mit Fitness zu tun, in allererster Linie muss man aber sagen, dass unsere Jungs da einen ganz starken Siegeswillen zeigen und bereit sind, bis ans Ende zu gehen.“
Das habe sich schon in der Vorbereitung angedeutet, in der der Grundstein gelegt werde, „eigentlich sogar schon in der Saison davor“. Weil die aber für Viktoria nach nur elf Spielen endete, hatte der Aufsteiger eigentlich schlechte Karten. Als die Mannschaft nicht gemeinsam auf dem Platz trainieren durfte, wurde die Rolle des Athletiktrainers größer: „Da hat jeder von mir immer einen Plan bekommen. Das war nicht zu wenig.“
„Die Verletzungsprävention steht bei uns an allererster Stelle“
Steinweg hat großen Respekt davor, wie die Mannschaft mit der Aufgabe umgegangen ist: „Ich glaube, in anderen Mannschaften hat es der Athletiktrainer deutlich schwerer.“ Dabei sei es gar nicht mehr zeitgemäß, nur auf lange Läufe zu setzen, stattdessen werde versucht, „die fußballerische Belastung nachzuahmen“, spielnah, wie man sagt. Das Schleifer-Image, das Athletiktrainer lange hatten, ist überholt: „Davon ist man auf jeden Fall weg. Aber klar, auch wir machen Kraftkreise oder extra Läufe.“ Dann gehe es aber eher darum zu sehen, wer mental über den Punkt hinaus geht, an dem es anfängt, weh zu tun.
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Der Fokus liegt jedoch woanders. „Die Verletzungsprävention steht bei uns an allererster Stelle“, sagt Steinweg. Besonders bei der Regeneration und der Belastungssteuerung sind in den vergangenen Jahren extreme Fortschritte gemacht worden. Deshalb beantworten alle Spieler morgens per App auf dem Smartphone, wie sie geschlafen haben. Sie tragen bei jedem Training einen GPS-Sensor und füllen anschließend eine Belastungsumfrage aus, bei der sie beantworten sollen, wie anstrengend sie die Einheit fanden.
Nur Technik, Daten und Zahlen reichen aber nicht. „Das Allerwichtigste ist der Austausch mit den Spielern“, sagt Steinweg. „Wir sprechen mit ihnen und achten auf die Körpersprache im Training. Sind die Aktionen so spritzig, wie man es von dem Spieler gewohnt ist?“ Aus allen Eindrücken gemeinsam wird dann eine Entscheidung getroffen. Möglicherweise auch, wer in Freiburg in der Startaufstellung stehen wird.