„Ende gut, alles gut. Oder Ende gut, nicht alles gut?“
Die Hände meist in den Hosentaschen vergraben, der Blick bei den Antworten in die Ferne gerichtet, im Gesichtsausdruck mehr als ein Hauch von Traurigkeit: Sichtlich angefasst gab Joachim Löw nach dem EM-Aus im Achtelfinale gegen England zum letzten Mal als Bundestrainer ein Interview am Spielfeldrand. An ihrer Seite Ex-Nationalspieler Bastian Schweinsteiger als Experte, stellte Moderatorin Jessy Wellmer Löw Fragen zum enttäuschenden Ausscheiden und zu seiner Bilanz seiner Ära als Bundestrainer.
Dass Löw dabei zunächst Probleme mit seinen Ohrhörern hatte und das Gespräch daher etwas chaotisch begann („Ich verstehe erst mal nichts“), war symptomatisch für ein bisweilen sehr holpriges Interview, das zum Teil heftig kritisiert wurde.
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„Eine Ära geht wirklich zu Ende, ein langer Weg, 15 Jahre als Bundestrainer. Wie greifen sie dieses Gefühl gerade für sich?“, beginnt Wellmer das Interview.
Löw bezieht seine Antwort nur auf das Ausscheiden gegen England. „Zunächst muss man sagen, dass es eine große Enttäuschung ist für uns alle. Wir hatten uns wirklich auch mehr erhofft. Und der Glaube an diese Mannschaft war absolut da“, sagt er.
Dann folgt eine kurze Analyse der Niederlage gegen England. „In solchen Spielen ist wichtig und entscheidend, dass man die wenigen Chancen, die man hat, auch konsequent nutzt. Und wir hatten zwei große Chancen, Timo Werner und Thomas Müller, wir haben leider keine Tore gemacht.“ Zerknirscht fügt Löw hinzu: „Deswegen tut es uns leid, dass wir jetzt aus dem Turnier raus sind.“
Ob man irgendwem Vorwürfe machen könne, will Wellmer wissen, was Löw verneint. „Wir haben die letzten vier Wochen hart gearbeitet“, sagt er. „Wenn solche Dinge dann passieren wie die Chance von Thomas Müller, okay, dann muss man das halt auch mal akzeptieren. Normalerweise macht er daraus auf jeden Fall ein Tor, heute hätten wir das gebraucht. Von daher kann ich auch keinen Vorwurf machen.“
Hier sehen Sie das Löw-Interview im Video:
Nach dieser kurzen Besprechung des Ausscheidens hebt Wellmer dann etwas ungeschickt in der Formulierung ab auf das Ende der Ära Löw als Bundestrainer. „Wie sagt man: Ende gut, alles gut. Oder Ende gut, nicht alles gut?“, fragt die Moderatorin
„Wir hatten uns natürlich auch was anderes erhofft bei diesem Turnier“, antwortet Löw. „So unmittelbar nach dem Spiel jetzt über alles zu reden, ist schwierig, denn die Enttäuschung überwiegt natürlich schon.“
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Dann verliert Löw erneut die Ohrhörer und nestelt daran herum. Wellmer gibt das Wort an Bastian Schweinsteiger, der die Chance nutzt, die Verdienste des scheidenden Bundestrainers zu würdigen.
„Wir sollten uns alle auch bedanken bei Joachim Löw, wie lange er jetzt schon Bundestrainer war und wie viele Erfolge wir gefeiert haben mit ihm, das ist etwas Einzigartiges und das sollte man auch respektieren“, sagt der Weltmeister von 2014.
„Die Leistung, die Joachim Löw für die Nationalmannschaft geleistet hat, ist sensationell. Chapeau, Hut ab!“ fährt Schweinsteiger fort. „Danke, Basti!“, erwidert Löw dankbar lächelnd.
„Fehler werden immer gemacht“
Dann übernimmt wieder Wellmer, die von Löw wissen möchte, ob er etwas bereue. „Was?“, fragt Löw etwas irritiert. Wellmer präzisiert: „Irgendeine Entscheidung heute vor dem Spiel, im Spiel, in der Vergangenheit?“
Löw wirkt genervt bei der Frage, bleibt aber besonnen. „Fehler macht ja jeder, und Fehler werden immer gemacht. Wenn ich zu einem Turnier gehe, kann ich am ersten Tag sagen, dass ich natürlich Fehler machen werde wie alle anderen auch“, antwortet er. Ein Trainer stelle immer nach bestem Wissen und Gewissen auf. Im Nachhinein gebe es immer Dinge, die man hätte anders machen können. Aber: „Das wäre jetzt im Moment schwierig, das zu benennen.“
Nach einem Blick auf die künftige Entwicklung der Nationalmannschaft, der Löw einiges zutraut schon bei der Heim-EM 2024 wünscht Wellmer Löw am Ende einen guten Abschied von der Mannschaft.
„Wir gehen zusammen ins Camp, und natürlich verabschieden wir uns dort“, sagt Löw.
„Abschreckendes Beispiel“ oder „unfassbar gut“?
In den sozialen Netzwerken gab es vor allem Kritik für das Interview. Bemängelt wurde, dass Wellmer unvorbereitet gewirkt und unpassende Fragen gestellt habe.
Löw habe es nicht verdient „das letzte Interview als Bundestrainer mit Jessy Wellmer und Bastian Schweinsteiger zu führen“, schrieb ein Nutzer bei Twitter.
Schelte gab es auch von Medienkollegen. „Das Interview sollte in der Journalistenausbildung als abschreckendes Beispiel auf dem Lehrplan stehen“, twitterte beispielsweise Stern-Redakteur Dirk Liedtke.
Doch Lob für Wellmer gab es ebenso. Die Moderatorin „macht das insgesamt so unfassbar gut“, schrieb eine Twitter-Nutzerin. „Macht Bock.“
Zuvor hatte bereits Schweinsteiger mit einer Bemerkung zum Jubel der Engländer nach dem Schlusspfiff irritiert. Die englischen Fans hätten sich gefreut „wie die Tiere“, sagte der ARD-Experte.
ARD-Sportkoordinator verteidigt Wellmer
ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky wies die Kritik an dem Interview zurück. „Jessy Wellmer und Bastian Schweinsteiger ist es gelungen, respektvoll mit Joachim Löw umzugehen, ohne unkritisch mit der Situation umzugehen“, sagte Balkausky am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur. „Das Interview war ja sehr herausfordernd für alle Beteiligten, da dies das Ende der Ära Löw bedeutete und dies auch dem Bundestrainer spürbar nahe ging.“
Zu Wellmers irritierender Formulierung „Ende gut, alles gut“ sagte der Sportkoordinator: „Sie hat eine Frage formuliert, die hieß: ‘Ende gut, alles gut – oder eben nicht alles gut?’ Dies mag in dem Lärm verkürzt am Fernseher angekommen sein, ist aber von ihr ausdrücklich als Frage formuliert worden.“