Eine erste echte Probe für Nagelsmann und die Bayern

Mehr als dreißig Spiele hat Julian Nagelsmann als Trainer in der Champions League schon absolviert, und die Hälfte davon sogar gewonnen. Wenn der FC Bayern am Mittwoch zum Viertelfinal-Hinspiel gegen Villarreal (21 Uhr/ Dazn) aufläuft und die offizielle Hymne des modernen Elite-Fußballs durch das kleine Estadio de la Ceramica klingt, wird bei dem Bayern-Trainer trotzdem das Kribbeln wieder hochkommen. „Wenn ich mal das Gefühl habe, dass ein Champions-League-Spiel Routine wird, dann höre ich auf“, sagte er am Wochenende.

Dafür ist es definitiv zu früh. Schließlich hat Nagelsmann doch gerade erst begonnen. Mit 34 Jahren ist er der mit Abstand jüngste Trainer in diesen Viertelfinals. In Deutschland mag er längst eine große Nummer sein. Die Welttrainer-Karriere, die ihm viele prophezeien, steckt aber noch in der Anfangsphase. Und die entscheidenden Wochen seiner ersten Champions-League-Saison mit dem FC Bayern gelten als erste große Probe.

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Dieser Titel bleibt das Maß aller Dinge in München. Am Wochenende verschwand mit der Dortmunder Niederlage gegen Leipzig der letzte Hauch eines Titelkampfes: Auch, wenn die Bayern ihre in Freiburg gewonnene Punkte tatsächlich am Grünen Tisch verlieren sollten, dürfte die zehnte Meisterschaft in Folge nicht in Gefahr sein. Wie bei so vielen seiner Vorgänger wird sich erst in der Champions League entscheiden, ob Nagelsmanns erste Saison als Erfolg gelten kann.

Bisher war es nämlich eine Saison mit zwei Gesichtern. Einerseits gab es die Bayern, die eine tadellose Gruppenphase gespielt haben und in der Liga unangefochtener Spitzenreiter sind: Eine Mannschaft, die der Brillanz des alten Flick-Fußballs neuen Flair und Flexibilität verliehen haben. Andererseits gab es die Bayern, die gegen Borussia Mönchengladbach und den VfL Bochum gedemütigt wurden: Eine Mannschaft mit auffälligen Abwehrschwächen, die immer für einen Ausrutscher gut ist.

Insofern stellt sich aktuell die Frage, ob die Bayern in diesem Jahr überhaupt zu den Favoriten gehören, oder eigentlich nur vom Namen her eine Größe sind? Der Trash-Talk zwischen den großen Vereinen Europas hat längst begonnen. Karim Benzema, der Stürmer von Real Madrid, hat zuletzt eine Spitze Richtung München geschickt. „Bayern ist eine Mannschaft, die Tore schießt, aber auch viele kassiert“, sagte er der „L’Equipe“.

Nach Villarreal käme der FC Liverpool

Unrecht hat er nicht. Bei allen Stärken der Bayern gab es in dieser Spielzeit vor allem bei der Konterabsicherung immer wieder Probleme. Diese wurden zuletzt unter anderem von RB Salzburg in der Champions League aufgezeigt. Die Österreicher konnten die Bayern im Achtelfinal-Hinspiel problemlos besiegen. Gegen Real oder den möglichen Halbfinalgegner Liverpool dürfte es schwerer sein.

Zuerst gilt der Fokus aber dem Viertelfinale, denn dort lauert in Villarreal ein möglicher Stolperstein. Der amtierende Europa-League-Sieger vom Trainer Unai Emery ist zwar krasser Außenseiter, hat aber schon gezeigt, wozu er fähig ist. Im Achtelfinale sorgten die Spanier für eine Überraschung, als sie mit disziplinierten Defensivverhalten und eiskalter Effizienz dem Favoriten Juventus Turin ein frühzeitiges Aus bescherten.

„Es ist eine spielerisch erfahrene Mannschaft, die schon etwas erlebt hat und die es erst einmal zu knacken gilt. Trotzdem bin ich guter Dinge, dass wir uns durchsetzen“, sagte Nagelsmann.

Der FC Villarreal sucht nach seiner Form

Es gibt auch Grund zum Optimismus. Zum einen sind die Spanier aktuell nicht in ihrer besten Form – den Gala-Sieg gegen Juve mal ausgenommen. Die Generalprobe gegen Levante verloren sie am Wochenende mit 0:2, und in der Liga kamen sie in den vorigen drei Spielen auf nur ein Tor und einen Sieg.

Zudem reiste der FC Bayern trotz der erneuten Verletzung von Corentin Tolisso mit dem stärksten Kader nach Spanien. Der lange ausgefallene Alphonso Davies ist dabei, und auch Leon Goretzka steht wieder zur Verfügung. Vielleicht gönnt Nagelsmann dem deutschen Nationalspieler eine Pause. Für ihn könnte Jamal Musiala spielen, der zuletzt sowohl für die Bayern als auch für die Nationalelf auf der Sechserposition beeindruckte.

Nagelsmann hat also keine Ausreden. Alles andere als ein Weiterkommen wäre ein Desaster, ein knapper Sieg würde kaum jemanden befriedigen. Nur mit einem deutlichen Erfolg könnte man die oft beschworene Ansage an die Konkurrenz senden. Aber davon lässt sich Nagelsmann auch nicht beeindrucken. „Es ist kein Problem für uns, der Favorit zu sein. Der Rolle musst du gerecht werden und dafür sind wir gut vorbereitet“, sagte er.