Volleyballerinnen vor Heim-EM: „Können endlich Potenzial zeigen“
Vital Heynen kann so schnell nichts aus der Ruhe bringen. „Ich liebe Chaos. Ich funktioniere immer am besten, wenn alles falsch läuft. Dann bin ich gut und fühle mich zu Hause“, sagt der Trainer der deutschen Volleyball-Frauen der Deutschen Presse-Agentur. Eine Welle von Abgängen und Rücktritten im Verband, Rückzüge wichtiger Spielerinnen und dazu eine heftige Terminhatz mit seinem Team: Vor dem Beginn der Europameisterschaft mit der Heim-Vorrunde in Düsseldorf ist die Stimmung im deutschen Lager trotzdem positiv.
Ist die kurze Vorbereitung ein Problem? „Wir wiederholen das, was schon funktioniert hat“, sagt der 54 Jahre alte Belgier wie gewohnt mit einem Lachen. „Die Volleyball Nations League ist so gut gelaufen, dass wir auch dieses Mal wieder nur eine kurze Vorbereitung haben. Das heißt aber nicht, dass es nicht funktionieren kann.“
Denn schon vor der Nationenliga ab Ende Mai gab es Diskussionen über die kurze Zeit zum Training und die fehlenden Spielerinnen wie Louisa Lippmann, Jennifer Janiska und Kimberly Drewniok. Am Ende schafften die deutschen Frauen erstmals den Einzug ins Viertelfinale des Wettbewerbs. „Wir waren komplett überrascht. Aber wir haben gut gespielt. Wir haben uns das verdient“, sagt Heynen über seine junge Mannschaft. „Man sieht klar einen Schritt nach vorne im Selbstbewusstsein.“
Hoffnungsträgerin Hanna Orthmann, bei den Spielen auf mehreren Kontinenten oft die Punktbeste, bestätigt den Eindruck: „Ich glaube, dass wir endlich mal zeigen können, was für ein Potenzial in der Mannschaft steckt.“
Nach der Nationenliga habe das Team aber eine Pause gebraucht, sagt Heynen. „Meine Spielerinnen haben in diesem Sommer die Nations League, eine Europameisterschaft und die Olympia-Quali. Drei Highlights in vier Monaten“, sagt der Coach. „Dazwischen brauchen sie auch mal Ferien. Denn danach spielen sie in ihrem Club und haben auch keine Ferien.“
Das Viertelfinale wäre ein super Ergebnis
Bundestrainer Vital Heynen über die bevorstehende EM.
Auftaktspiel gegen Griechenland
14 Tage gab es frei für das Team, ungefähr so lange bereitete sich die Mannschaft dann in Kienbaum auf die EM vor. Das Turnier, das auch in Italien, Belgien und Estland gespielt wird, beginnt am Dienstag. Die deutsche Mannschaft trifft zum Auftakt am Donnerstag im Düsseldorfer Castello auf Griechenland (20.00 Uhr/Sportdeutschland.TV).
Heynen ist sich nicht sicher, wie sich die Heim-EM auf seine Spielerinnen auswirken wird. „Ich kann nicht vorhersagen, ob der Heim-Vorteil noch einen Schub nach oben gibt oder zu viel Druck macht und einen Schub nach unten gibt“, sagt der Belgier. Dazu kommt die schwere Auslosung. Auf ihrer Turnierseite seien Weltmeister Serbien, der Nations-League-Dritte Polen und Nationanliga-Gewinner Türkei, zählt Heynen auf. „Der Weg ist unglaublich schwierig“, sagt er. „Das Viertelfinale wäre ein super Ergebnis.“ Dazu zählt jedes Spiel für die Weltrangliste und damit verbunden auch die Olympia-Chancen.
Orthmann, in Lüdinghausen in Nordrhein-Westfalen geboren, freut sich, vor Freunden und Familie spielen zu dürfen. Die 24-Jährige konnte in den letzten Monaten immer wieder überzeugen. Kapitänin Anna Pogany sieht sie schon auf dem Weg zur Weltklasse. Auch Heynen lobt ihren „unglaublich guten Arm“ und ihre Fortschritte in der Annahme. Zur Weltklasse sei es aber noch „ganz viel Arbeit“.
Auch die Außenangreiferin selbst will sich nicht zu sehr hervorheben: „Die Teamharmonie, die wir haben, macht uns stark. Da können wir uns nicht nur auf eine Person verlassen, sondern da muss jeder sein Gewicht tragen und zum Team beitragen.“ Trotzdem kommt Orthmann gemeinsam mit Lina Alsmeier und Lena Stigrot eine besondere Rolle zu: Weil es Deutschland nach dem Abgang von Lippmann zum Beach-Volleyball an einer starken gelernten Diagonalspielerin mangelt, wechseln sich die drei auf dieser Postion ab. Das funktionierte zuletzt sehr gut, auch wenn Orthmann von einer „Riesenumstellung“ spricht. „Wir versuchen einfach, das als Team möglichst gut zu lösen.“