Stolpersteine in Gedenken an die Opfer der Sklaverei

In den Bürgerstein eingelassene Gedenktafeln für die Opfer des Holocaust, bekannt als „Stolpersteine“, finden sich in ganz Europa – von Trondheim in Norwegen bis Thessaloniki in Griechenland. Mehr als 75.000 dieser Messingtafeln des deutschen Künstlers Gunter Demnig wurden vor den ehemaligen Häusern der Opfer aufgestellt. Deren Namen sind auf den Tafeln eingraviert. Darunter steht „Deportiert“, „Ermordet“ und das Datum.

Diese „Stolpersteine“ haben das „American Witness Stones Project“ inspiriert, das 2017 in Guilford, Connecticut, initiiert wurde. Hier heißen sie „Zeugensteine“ und sollen an versklavte Menschen erinnern. Die Mission des Projekts ist es, „die Fakten der Geschichte darzustellen und die Menschlichkeit versklavter Individuen zu ehren, die beim Aufbau unserer Gemeinschaften geholfen haben“.

Schüler der Mittel- und Oberstufe werden dabei unterstützt, die Geschichte der Sklaverei an den Orten, an denen sie leben, zu studieren. Das Projekt arbeitet mit 21 Schulen zusammen, vor allem im Bundesstaat Connecticut, aber auch in Massachusetts und New Jersey.

„Wir müssen uns unsere eigene Geschichte von Rassismus und Ungleichheit ansehen“, sagt Project-Mitbegründer und Geschäftsführer Dennis Culliton. Der zweite Projektmitbegründer, Douglas Nygren, betrachtet Rassismus als Angriff auf die amerikanische Demokratie. Wann immer es auftaucht, sagt er, müsse es sofort bekämpft werden, „sonst wird es schnell wachsen“. Nygren behandelt als Sozialarbeiter in einer Klinik missbrauchte Kinder, er sieht seine Fähigkeiten im Umgang mit Trauma-Opfern als hilfreich bei der Bewältigung dessen an, was er als „nationales Trauma des Rassismus“ betrachtet, das aus Ignoranz und Hass resultiert.

„Zeugensteine” sollen Ignoranz mit Wahrheit bekämpfen

Die „Zeugensteine“, hofft Nygren, helfen, die Ignoranz mit der Wahrheit zu bekämpfen und so deutlich zu machen, dass die lange vernachlässigte schwarze Geschichte ein integraler Bestandteil der amerikanischen Geschichte ist. Im Rahmen des „American Witness Stones Projects“ wurde auch das Ausmaß enthüllt, in dem Schwarze im Norden der Vereinigten Staaten versklavt wurden.

Dieser Teil der Geschichte wird oft ignoriert, sogar vergessen, weil die meisten Amerikaner Sklaverei nur mit dem Süden assoziieren.

Zwei Initiativen des „Witness Stones Projects“ in Connecticut – in Guilford und in Greenwich – haben jüngst dazu beigetragen, die Öffentlichkeit über die Geschichte der Sklaverei in diesen Gemeinden aufzuklären. Obwohl die Arbeit von Sklaven in Greenwich über Generationen ausgebeutet wurde, gab es nie einen Gedenkort für die Gepeinigten.

Die “Zeugensteine” machen vergessene Biografien wieder sichtbar.Foto: privat

Das änderte sich, als am 25. Mai ein solches Denkmal durch Zeugensteine für fünf Sklaven auf dem Gelände der Greenwich Historical Society errichtet wurde. Schüler zweier Greenwich-Schulen – Sacred Heart und Greenwich Academy – hatten das Leben dieser Sklaven recherchiert und deren Geschichten bei der Zeremonie erzählt.

Anstieg des rassistischen Extremismus in den USA

Einige Wahrheiten seien schwer zu akzeptieren, sagt Pfarrer Thomas Nins von der First Baptist Church, einer der Redner bei der Zeremonie. Dass es Sklaven in Greenwich gab, ist eine dieser schwierigen Wahrheiten. Die Erinnerung an die lange Geschichte der amerikanischen Sklaverei und des Rassismus sei jetzt besonders wichtig, um der allgegenwärtigen Leugnung des systemischen Rassismus und dem Anstieg des rassistischen Extremismus entgegenzuwirken. Die Anti-Defamation League in Connecticut berichtet von einem alarmierenden Sprung in der Verbreitung nazistischer Propaganda.

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Patricia Wilson Pheanious, ehemalige Abgeordnete aus dem Windham County und Vorstandsmitglied des „Witness Stones Project“, ist eine Nachfahrin der Guilford-Sklaven in der neunten Generation. Sie erfuhr, dass Montros und Phylis, die siebzehn Jahre alt waren, als sie 1728 Sklaven einer Guilford-Familie wurden, ihre Vorfahren waren. Diese Entdeckung stärkte ihre tiefen amerikanischen Wurzeln. „Wie bei vielen schwarzen Kindern war meine Geschichte verborgen oder gestohlen worden“, sagt sie. „Und wenn du nicht weißt, wer du bist und woher du kommst, weißt du nichts über deinen Wert und deine Identität.“

„Früher wurde schwarzen Kindern oft gesagt: ,Warum gehst du nicht dorthin zurück, wo du hergekommen bist‘“, sagt sie. Heute lautet ihre Antwort darauf: „Ich komme von hier.”
Don Snyder hat sechs Jahrzehnte lang in den USA als Journalist gearbeitet und fast 20 Jahre lang die „Today Show“ auf NBC produziert. Er lebt in Greenwich, Connecticut. (Übersetzt von Malte Lehming)