Hertha-Trainer Dardai sauer über leichte Fehler: „Das verteidige ich mit 120 Kilo noch besser“

Still und starr ruhte das Olympiagelände. Die Fußballplätze waren weiß gezuckert, selbst der, auf dem die Ersatzspieler von Hertha BSC wenige Stunden nach dem 2:2 bei Hannover 96 ihr Spielersatztraining absolvieren sollten. Ein Trecker tuckerte über den Rasen, zog ein Netz hinter sich her und befreite zumindest eine Ecke von Eis und Schnee.

Trainer Pal Dardai schien ein wenig überrascht zu sein, als er um kurz vor zehn zur Arbeit auf dem Platz erschien. Doch wegen des Kälteeinbruchs über Nacht hatte die Rasenheizung nicht bis zum Anschlag aufgedreht werden können. Andernfalls wäre der Untergrund irreparabel geschädigt worden. Die Heizung musste erst langsam auf Touren kommen.

Bei Hertha war das am Freitagabend in Hannover anders gewesen. Die Mannschaft ging von Beginn an volle Pulle. Sie führte zur Halbzeit 2:0, dominierte den Tabellenvierten in dessen eigenem Stadion und sah bereits wie der sichere Sieger aus. Am Ende aber sprang nur ein Punkt für die Berliner heraus. „Für mich ist das schwer zu verarbeiten“, sagte Dardai.

Mit einer solchen Wendung war nach der ersten Hälfte tatsächlich nicht zu rechnen gewesen. „Eine top erste Halbzeit“, bescheinigte Dardai seinem Team. Eine sehr gute Leistung mit zwei klug herausgespielten Toren durch Florian Niederlechner und Pascal Klemens; mit einer guten Ordnung und einer stabilen Defensive, die die gefährlichste Offensive der Zweiten Liga nicht zur Entfaltung hatte kommen lassen. „Die hatten nicht mal eine richtige Torchance, vielleicht mal ein Schüsschen“, sagte Dardai über die Hannoveraner.

Angesichts der Ausgangslage hätte er vor dem Spiel gesagt: „Unentschieden nehmen wir gerne mit“, erklärte er, „aber jetzt bin ich ein bisschen verbittert“. Denn ganz neu war die Erfahrung für die Berliner nicht. Ihre jüngsten drei Spiele endeten alle unentschieden, und alle drei hätte Hertha gewinnen können. „Aber im Fußball spielt der Hätte nicht“, sagte Dardai.

Zehn Punkte hat Hertha nach Führungen bereits verspielt. Auch das hat die kuriose Situation zur Folge, dass die Berliner in einer virtuellen Tabelle der ersten Halbzeit mit klarem Abstand auf Platz eins stehen; in der virtuellen Tabelle der zweiten Halbzeit hingegen auf dem vorletzten Platz. In der realen Tabelle wiederum findet sich Hertha im grauen Mittelfeld wieder.

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Punkte hat Hertha nach Führungen schon verspielt.

„Wir müssen lernen, Führungen über die Zeit zu bringen, einfach selbstbewusster werden und nicht sagen: Pass auf, wir führen, jetzt spielen wir nur noch gegen den Ball und hoffen, dass die Uhr umspringt“, sagte Fabian Reese, der wie einige seiner Kollegen unter der Woche von seinem Traum vom Aufstieg gesprochen hatte. „Wir brauchen Spiele, die über 90 Minuten gut sind – und nicht nur über Phasen. Das möglichst schnell in unsere Köpfe rein.“

Dass Hertha es kann, zeigte das Spiel in Hannover. Die Berliner waren den deutlich besser platzierten 96ern individuell klar überlegen. Aber: „Individuelle Qualität ist das eine, mannschaftliche Geschlossenheit das andere“, sagte Reese. „Wir haben in den letzten Spielen schon gesehen, wie das ist, wenn wir zu tief drinstehen, wenn wir den Ball zu schnell wegspielen, den zweiten Ball nicht gewinnen. Dann steht man am Ende da und denkt: Scheiße, wir haben das Spiel aus der Hand gegeben.“

Das war einfach eine Malteser-Aktion.

Herthas Trainer Pal Dardai über das Abwehrverhalten vor Hannovers Ausgleich

Auch in Hannover habe Hertha „den Gegner wiederbelebt“, sagte Reese. Durch zu viele individuelle Fehler und „zwei Schweinetore“, wie es Kapitän Toni Leistner ausdrückte. „Wir haben auch gedacht, dass wir schon weiter sind. Leider sind wir das noch nicht.“

Vor dem 1:2 durch Havard Nielsen ließ Marton Dardai Phil Neumann über 40 Meter unbedrängt Richtung Herthas Tor laufen. Beim Ausgleich zehn Minuten vor Schluss stürzten sich dann Deyovaisio Zeefuik und Marc Kempf nach dem langen Pass aus Hannovers eigener Hälfte gemeinschaftlich auf Andreas Voglsammer, anstatt sich gegenseitig abzusichern.

Hertha half Hannover wieder auf die Sprünge

„Das war einfach eine Malteser-Aktion“, sagte Trainer Dardai. Herthas Hilfsdienst für Gegner in Not. Solche Tore gebe es nur in der Jugend, aber nicht bei den Profis, schimpfte der Ungar. „Das verteidige ich mit 120 Kilo noch besser.“

Solche Aussetzer bringen Hertha immer wieder um den Ertrag und damit auch um eine bessere Platzierung in der Tabelle. „Wenn der Gegner mit langen Bällen anfängt, sind wir nicht mehr der Herr der Situation. Da sind wir nicht scharf“, klagte Dardai. „Gegen Hertha BSC würde ich nur lange Bälle schlagen.“

So lieferte das Spiel in Hannover für jeden etwas: für die, die noch an eine Aufstiegschance glauben, genauso wie für die, die Hertha insgesamt als zu flatterhaft erachten und dem Team die Reife für den großen Wurf absprechen. „Wir sind dran“, sagte Trainer Dardai. „Die Mannschaft ist kompakt. Jeder will. Jeder erfüllt seine Aufgabe. Aber es gibt solche Momente, die dürfen nicht sein.“

Nicht in einer Liga, in der es keine Übermannschaft gibt. Auch in der Tabelle ist alles noch eng beieinander. Mit einer Erfolgsserie könne man bis zum Ende der Hinrunde auch ganz schnell auf Platz fünf vorrücken, sagte Pal Dardai.

Zwei Heimspiele gegen die Aufsteiger Elversberg und Osnabrück sowie eine Partie in Kaiserslautern stehen bis Weihnachten noch an. Selbst Platz drei sei möglich, sagte Herthas Trainer, aber dafür müsste schon alles perfekt laufen. „Platz drei ist der Traum, nicht das Ziel.“