Torquator Tasso verzückt die deutsche Galoppszene
Gerhard Schöningh hatte am Montag gleich mehrfach Grund, zufrieden auf das vergangene Wochenende zurückzublicken. Als Eigner der Rennbahn in Hoppegarten erlebte er einen „Sahnetag“ mit 8000 zugelassenen Zuschauern bei der sportlichen Einheitsfeier.
Als Rennsport-Enthusiast und Vizepräsident von Deutscher Galopp, der obersten Verwaltungsstelle für die Zucht von Vollblutpferden und für die Galopprennen in Deutschland, genoss er das Statement, das Hengst Torquator Tasso mit seinem Sieg beim Prix de l’Arc de Triomphe gesetzt hatte. „2005 hieß es: Wir sind Papst. Jetzt sind wir Galoppsport-Weltmeister“, freute sich Schöningh.
An eine großartige Party, wie sie bei anderen Sportarten nach dem Gewinn großer Titel üblich ist, war bei den menschlichen Protagonisten dieses Erfolgs allerdings nicht zu denken. Trainer Marcel Weiß sagte dem Tagesspiegel: „Wir sind noch in der Nacht zurück nach Mülheim gefahren, dabei ist mein Handy regelrecht explodiert.“ Um fünf Uhr am Morgen ging es dann wieder in den Stall, um mit der Morgenarbeit zu beginnen. „Wir haben ja nicht nur Torquator Tasso, sondern insgesamt 52 Pferde hier zu versorgen.“
Krasser Außenseiter in diesem Rennen
Auch am Tag danach fiel es Weiß noch spürbar schwer, diese Rennsport-Sensation zu realisieren. „Für viele Trainer ist es ein Lebenstraum, überhaupt bei diesem Rennen antreten zu dürfen. Dieses Rennen dann auch noch zu gewinnen, ist schier unvorstellbar“, sagte Weiß. Star Appeal (1975) und Danedream (2011) waren schließlich bislang die einzigen deutschen Sieger bei 100 Ausgaben dieser exklusiven Veranstaltung mit einer Dotierung, die in diesem Jahr fünf Millionen Euro betrug.
Obwohl Torquator Tasso, Galopper des Jahres 2020, hierzulande schon vor der Reise nach Paris als überdurchschnittlich veranlagt galt, ging er als krasser Außenseiter in dieses Rennen, mit einer Sieg-Quote von 725:10. Doch weil der schwere, nasse Boden passte und Reiter René Piechulek die vereinbarte Rennstrategie anwenden konnte, schlug das vierjährige Rennpferd die Konkurrenz aus den exklusivsten Gestüten der Welt. „Es waren auch einige Deutsche vor Ort an der Rennbahn, die sind natürlich komplett ausgerastet“, erzählte Weiß.
In den kommenden Wochen wird sich entscheiden, wohin der Karriereweg des Hengstes führt. Schwindelerregende Kaufangebote aus dem Ausland werden wohl in den kommenden Tagen bei den Besitzern des Gestüts Auenquelle eintreffen. Dennoch gibt es Hoffnung, dass Torquator Tasso als Deckhengst in Deutschland bleibt.
“Mit Berlin und Hoppegarten werde ich immer eng verbunden sein”
Dass dieser Reit-Coup am 3. Oktober gelang, passt zu der Lebensgeschichte von Marcel Weiß. In Berlin aufgewachsen, lernte er im Sommer 1989, kurz vor dem Fall der Mauer, die Rennbahn in Hoppegarten zum ersten Mal persönlich kennen. Und der Sport ließ ihn nicht mehr los. Beim mittlerweile verstorbenen Trainer Martin Rölke absolvierte Weiß später seine Ausbildung, nur wenige Meter von der Rennbahn entfernt.
Bis 1998 sammelte er Erfahrungen in unterschiedlichen Ställen Hoppegartens, ehe es Weiß nach Köln zog, wo er beim erfolgreichsten deutschen Trainer Heinz Jentzsch anheuerte.
[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können]
Später zog es ihn dann nach Mülheim in Nordrhein-Westfalen. Im vergangenen Jahr feierte er in Berlin ein triumphales Wiedersehen, als Torquator Tasso den Großen Preis gewann. In diesem Jahr musste sich die Equipe knapp der britischen Stute Alpinista geschlagen geben. „Mit Berlin und Hoppegarten werde ich immer eng verbunden sein, hier hat alles angefangen“, sagte Weiß am Montag.
Neben dem erneuten Beweis, dass die relativ kleine deutsche Zucht immer wieder aufsehenerregende Ergebnisse erzielt, bewertet Schöningh den Sieg in Paris als Muntermacher für eine Branche, die seit Beginn der Pandemie besonders gelitten hat. „Der Pferdesport ist verbunden mit einer großen Passion. Vom Pfleger über den Züchter bis hin zum Funktionär, solche Tage tun allen gut.“ Noch dazu, wenn am gleichen Tag die Wiedervereinigung im deutschen Turf gefeiert wird.