Die geballte Macht der Ruhrkunstmuseen: Brigitte Bardot trifft die „Große Sinnende“

Ob „Metropole London“ (1992), „Sinn und Sinnlichkeit“ (2002) oder „Josef Albers. Interaction“ (2018):  Die Villa Hügel in Essen war in den vergangenen Jahrzehnten immer wieder Austragungsort groß angelegter Ausstellungen, die ein überregionales Publikum anlockten. 

Wohl kaum ein anderer Ort im Ruhrgebiet könnte daher als Schauplatz für die Sonderausstellung „21 x 21. Die Ruhrkunstmuseen auf dem Hügel“ geeigneter erscheinen. Dort präsentieren 21 Museen, die dem vor 15 Jahren gegründeten Netzwerk RuhrKunstMuseen angehören, im Rahmen einer städteübergreifenden Jubiläumsschau eine hochkarätige Auswahl ihrer Schätze.

Das Konzept der Schau lautet: Impuls und Reaktion. Jedes Museum hat für die Ausstellung ein Impulswerk ausgesucht. Das war nicht unbedingt immer das berühmteste, beliebteste oder wertvollste Werk aus der Sammlung, sondern oft auch eine Arbeit, die den jeweiligen Sammlungsschwerpunkt repräsentiert oder aufgrund ihrer Radikalität zu einer Reaktion herausfordert. Die Teams der anderen Häuser waren dann aufgefordert, mit einem Werk aus den eigenen Beständen zu reagieren.

Von der Decke hängt Ulrich Möckels „Konturenwolke“, entstanden aus Hartschaum nach Baumkonturen.

© Ulrich Möckel © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Max Pechstein © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Gerhard Richter, Wilhelm Morgner / Foto: Annika Feuss

Auf diese Weise kamen zunächst mehr als 400 Werke zusammen, die in einer Online-Version der Ausstellung gezeigt werden. Für die Museumsschau selbst wählte das neunköpfige Kuratorengremium unter der Leitung von Regina Selter (Museum am Ostwall, Dortmund) und Peter Gorschlüter (Museum Folkwang, Essen) rund 100 Werke aus, die in zehn Themenräumen zu sehen sind.

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Alpine Landschaften und qualmende Schlote

Am Beginn des Parcours stehen Aspekte der Darstellung von Weiblichkeit: von Wilhelm Lehmbrucks reduktionistisch-idealisierter Skulptur „Große Sinnende“ (1913) über Gerhard Richters malerische Beschäftigung mit der Film-Diva Brigitte Bardot bis hin zur Demontage des männlich dominierten Blicks am Beispiel einer großen Arbeit aus der Herdplatten-Serie von Rosemarie Trockel.

Im Themenraum „Fenster zur Welt“ werden alpine Landschaften von Ernst Ludwig Kirchner, Alexej von Jawlensky oder Gabriele Münter mit Impressionen aus dem Ruhrgebiet konfrontiert. So zum Beispiel mit einer Schwarz-Weiß-Aufnahme des Ruhrgebietsfotografen Rudolf Holtappel von 1962, eine „Schneelandschaft bei Gelsenkirchen“ mit qualmenden Schloten im Hintergrund. 

Im Kapitel „Dynamik“ wird die Aufnahme einer Autobahnhochbrücke von Hans-Christian Schink der Installation „Zeit ist keine Autobahn – Basel“ (2011) von Michael Sailstorfer aus der Kunsthalle Recklinghausen gegenübergestellt. Ein an einer Wandoberfläche rotierender Autoreifen hinterlässt hier ein stetig wachsendes Häuflein Gummiabrieb. Eine Lithographie von Katharina Grosse mit übereinander gelagerten, gestischen Farbapplikationen ergänzt die Zusammenstellung. Vorstellungen von Vergänglichkeit und Beständigkeit, Mobilität und Stillstand stehen hier in einem spannungsvollen Dialog.

Hohe Räume, edle Kunst: Wilhelm Lehmbrucks „Große Sinnende“ von 1913 reagiert hier auf ein Gemälde von Gerhard Richter und Paula Modersohn-Becker.

© Wilhelm Lehmbruck, Gerhard Richter, Paula Modersohn-Becker, Michael Wolf © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Rosemarie Trockel © VG Bild-Kunst, Bonn 2025, Herbert Rolf Schlegel/ Foto: Annika Feuss

Die Intimität privater Räume wird unter dem Label „Lebenszeichen“ untersucht. Timm Ulrichs’ Fotoserie „Die Welt im Wohnzimmer“ (2009) aus dem Museum Ostwall im Dortmunder U begibt sich auf eine ironische Entdeckungsreise durch private Wohnzimmer. Weibliche Ausbruchsversuche aus den Fesseln der Häuslichkeit dann wiederum bei Nan Goldins Aufnahme mit dem Titel „Lil Laughing, Swampscott, MA“ (1996), die ihre lachende Mutter auf dem Ehebett sitzend zeigt.

Zu den Highlights zählen die rund drei mal sieben Meter große Fotomontage der polnischen Konzeptkünstlerin Zofia Kulik mit dem Titel „Wer erobert die Welt“ (1994) sowie Alicja Kwades „Selbstporträt als Geist“ (2019). Beide sind im letzten Raum mit dem Titel „Tradition im Wandel“ zu sehen.

Zugegeben, die Motti der zehn Themenräume wirken teilweise etwas beliebig und weit hergeholt. Einige sind sogar geklaut. So etwa „Arbeit und Struktur“ (nach dem autobiografischen Buch von Wolfgang Herrndorf) oder „Bild der Frau“ (nach der bieder-konservativen Frauenzeitschrift). Etliche Werke könnten auch gleich in anderen Themenräumen ausgestellt sein.