Der erfolgreiche Neustart der Nationalmannschaft

Was die deutsche Fußball-Nationalmannschaft in den vergangenen Tagen in der Qualifikation zur WM 2022 erlebt hat, das war wirklich beängstigend. Beängstigend gut. Aber wie es so ist im Leben: Wenn du denkst, jetzt läuft’s, dann passiert garantiert irgendwas, mit dem du nicht gerechnet hast. Dann gibt die Waschmaschine den Geist auf, wird das Fahrrad geklaut oder flattert dir eine fette Steuernachforderung ins Haus.

So ähnlich ist es nach dem 4:0-Erfolg gegen Island auch der noch euphorisierten Nationalmannschaft ergangen.

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Auf dem Weg von Reykjavik zurück nach Hause musste das Team am frühen Donnerstagmorgen einen ungeplanten Zwischenstopp in Edinburgh einlegen. An ihrem Flugzeug gab es ein Problem, das den Weiterflug nicht ratsam erscheinen ließ. „Safety first“, twitterte die Medienabteilung der Nationalmannschaft. Und: „Uns geht’s gut.“

Das sportliche Befinden nach der ersten Länderspielreihe unter dem neuen Bundestrainer Hansi Flick ist sogar mehr als gut. „Wenn man die drei Spiele nimmt, können wir sehr zufrieden sein mit der Entwicklung“, sagte Flick. Drei Spiele, drei Siege, zwölf Tore, kein Gegentor. In ihrer WM-Qualifikationsgruppe nimmt die Mannschaft jetzt wieder Platz eins ein; die Zweifel an der Teilnahme an der eher zweifelhaften Weltmeisterschaft in Katar dürften sich weitgehend erledigt haben.

Natürlich muss man die Ergebnisse angesichts der Qualität der Konkurrenz nicht gleich überbewerten. „Wir haben jetzt gegen Mannschaften gespielt, die bei K.-o.-Spielen bei einer WM keine Rolle spielen“, sagte Torhüter und Kapitän Manuel Neuer über die Duelle mit Liechtenstein (Nr. 189 der Welt), Armenien (Nr. 88) und Island (Nr. 53). Aber es ging eben nicht nur um die Ergebnisse, es ging auch um die Haltung des Teams zu diesen Spielen.

Die Mannschaft versprüht wieder Elan

„Neuer Wind, neue Spiellaune – da fallen die Dinge momentan leicht“, sagte Serge Gnabry, der wie schon gegen Armenien auch gegen die Isländer das frühe 1:0 erzielt hatte. Nach der trägen Endphase der Regentschaft von Jogi, dem Unendlichen, sollte vom Wechsel auf der Trainerposition ein Signal des Aufbruchs ausgehen. Mehr Elan, mehr Entschlossenheit, mehr Spielfreude – all das hat Flick von seinem Team verlangt. „Wir wollen Aktivität auf dem Platz haben“, sagte er. „Die Mannschaft hat das wirklich sehr gut umgesetzt und verinnerlicht.“

Mit dem frühen Ausscheiden sowohl bei der WM 2018 als auch bei der EM 2021 hat die Nationalmannschaft in den vergangenen Jahren viel Vertrauen verspielt. Das gilt es nun Stück für Stück wiederherzustellen. Die ersten Spiele unter Flick waren ein erster Schritt in die richtige Richtung. Man kann solche Pflichtaufgaben angehen wie Pflichtaufgaben; man kann aber auch einfach Spaß haben an solchen Spielen. Und den hatte die Nationalmannschaft, vor allem beim 6:0 gegen Armenien.

Natürlich liegt das auch am neuen Bundestrainer. Vor knapp zwei Jahren bei den Bayern hat Hansi Flick eine ähnliche Situation vorgefunden; auch da war vieles eingefahren und verkniffen, doch Flick schaffte es, die Mannschaft mit seiner unprätentiösen Art hinter sich und einem gemeinsamen Ziel zu vereinen. „Hansi ist sehr kommunikativ, nimmt alle mit. Es herrscht gute Stimmung“, berichtete Verteidiger Thilo Kehrer, der bei der EM unter Flicks Vorgänger Joachim Löw nicht dabei war, jetzt aber in allen drei Länderspielen in der Startelf gestanden hatte. Sogar

Sogar die Standards sind gefährlich

Bei einigen neuralgischen Themen waren die Fortschritte bereits zu erkennen. Die Nationalmannschaft neigt zwar immer noch zu einem verschwenderischen Umgang mit ihren Torchancen; dass sie aber in ihrem Elan nicht nachlässt und sich immer neue Chancen erspielt, war eine deutliche Verbesserung im Vergleich zur jüngeren Vergangenheit.

Auch die Arbeit an den Standardsituationen, immer schon ein Steckenpferd von Hansi Flick, macht sich bereits bezahlt. Das 2:0 gegen die Isländer resultierte aus einem Freistoß, den Joshua Kimmich genau auf den Kopf von Verteidiger Antonio Rüdiger gechippt hatte. Glück? Zufall? Eher nicht. „Das war tatsächlich einstudiert“, erklärte Kimmich.

Hinzu kommt die defensive Stabilität, auf deren Basis die Mannschaft mutig in die Offensive gehen soll. Natürlich steht der ultimative Belastungstest noch aus. Aber drei Spiele ohne Gegentor sind schon mal ein guter Anfang. Unter Löw hat die Nationalmannschaft das auch geschafft: in den letzten 17 Begegnungen seiner Amtszeit nach dem Ende der Coronapause. „Die Mannschaft muss einfach die Gier haben, das Tor zu verteidigen. Das macht sie als Team, als Einheit“, sagte Flick. „Die Abläufe sind gut.“

Und trotzdem können sie immer noch besser werden. Leon Goretzka, der Mittelfeldspieler des FC Bayern München, drückte es nach dem Spiel in Reykjavik so aus: „Das war hoffentlich erst der Startschuss.“