Das Deutsche Theater hebt ab: Die Pläne der neuen Intendantin Iris Laufenberg
Intendanzen in Berlin haben in der Regel eine recht lange Laufzeit, manchmal über zwei Jahrzehnte. Mit vierzehn Jahren liegt Ulrich Khuon gut im Rennen. Nun übergibt er zur kommenden Spielzeit das Deutsche Theater an Iris Laufenberg. Sie ist die erste Frau in diesem Amt, was wohl immer noch betont werden muss in den herrschenden Verhältnissen.
Aber da verändert sich jetzt einiges. Iris Laufenberg kennt man in Berlin als langährige Leiterin des Theatertreffens. Sie war danach Schauspieldirektorin in Bern und zuletzt Intendantin am Schauspielhaus Graz. Hierarchien betrachtet sie als wenig nachhaltig und nicht sehr produktiv, die 57-Jährige fühlt sich lieber als „Erste unter Gleichen.“
Vor dem Deutschen Theater, das manchmal stärker in der Tradition ist als in der Gegenwart, hat Laufenberg Respekt. Mit dem Geschäftsführenden Direktor Klaus Steppat und Michael de Vivie, dem Künstlerischen Betriebsdirektor, bleiben bewährte Leute im Leitungsteam. Ähnlich sieht es im Ensemble aus, das aus 35 fest engagierten Schauspielerinnen und Schauspielern besteht.
Was heißt deutsch?
Vom alten Ensemble bleiben rund vierzig Prozent, darunter Almut Zilcher und Regine Zimmermann, Felix Goeser, Alexander Khuon und Ulrich Matthes. Das nennt sich Kontinuität. Es werden auch das Festival „Radar Ost“ und die „Autor:innentheatertage“ weitergeführt.
Bei der Vorstellung ihres Programms bedankte sich Laufenberg bei Ulrich Khuon für seine Hilfe und Kollegialität im Übergang. Sie sprach von dem „starken bürgerlichen Publikum“ des DT, aber natürlich gibt es auch andere Erwartungen und Kreise. Vom „ersten haus am Platz“ und der „Spitze der DDR-Theaterpyramide“ spricht heute niemand mehr. Doch irgendwie steckt das noch im Gebäude, wenn man nur die Namen der Ehrenmitglieder des DT betrachtet: Vor ein paar Tagen ist endlich auch Margit Bendokat dazugekommen.
Utopie aus DDR-Bestand
„Welche neuen Texte und welche alten Stoffe sprechen so ins Heute, dass sie hier und jetzt auf die Bühne gehören?“ Diese Frage sich das neue DT und auch: Was könnte das „Deutsche“ im Namen bedeuten? Einem jeden Bühnenzauber muss ein Anfang innewohnen, und den übernimmt der Regisseur Alexander Eisenach mit einer aus dem Osten geretteten Utopie. „Weltall Erde Mensch“ nennt sich die Produktion, die auf ein Buch anspielt, das es einst als Geschenk zur Jugendweihe in der DDR gab. Eisenach schwebt ein Science-Fiction-Spektakel vor (ab 16. September).
In den Kammerspielen folgt am 17. September ein Solo der Schauspielerin Mercy Dorcas Otenio. In der Inszenierung von András Dömötör bringt sie „Prima Facie“ von Suzie Miller auf die Bühne, die Geschichte einer Strafverteidigerin, die Missbrauch erleben muss.
Darauf folgt im Eröffnungszyklus am 22. September ein dickes Ding, eine Uraufführung von Rainald Goetz. „Baracke“ dreht sich – es soll ein „Familienstück“ werden – um die Liebe unter den NSU-Terroristen, offenbar mit Bezügen zur RAF, um Verwandtschaft und Gewalt. Regie führt Claudia Bossard. Danach kommt Ionescos „Die kahle Sängerin“, Regie Anita Vulesica, eine Übernahme aus Graz.
Es ist schon eine Mischung aus Risiko und Sicherheit, die sich da ankündigt. Neugierig machen einige Projekte. Claudia Bauer wird sich der „Ursonate“ von Kurt Schwitters beschäftigen. Ja-Christoph Gockel bringt den „Auftrag“ von Heiner Müller mit einem Text des togoischen Autors Elemawusi Agbédjidjii zusammen.
Nino Haratischwili bereitet ein Stück über die Figur und den Mythos der Penthesilea vor, als Autorin und Regisseurin, in georgischer und deutscher Sprache. Es gibt auch Übernahmen aus der Khuon-Zeit, dazu gehören „Der Menschenfeind“ und „Der zerbrochne Krug“ von Kleist und Elfriede Jelineks „Angabe der Person“.
Neue Spielzeit, neue Intendanz, neues Styling. Auf den Ensemblefotos wirken sie alle ein wenig zerzaust. Ist das schon der neue Wind, der Sturm aus Graz?