Borussia Dortmund hofft auf den Titel: Warum Mainz die Meisterparty vermiesen kann

Einen Vorteil hat Edin Terzic schon mal, wenn er am Samstagmorgen im Dortmunder Mannschaftshotel aufwacht und an die letzten Stunden vor dem großen Liga-Finale gegen Mainz denkt. Denn meistens, erzählte der Cheftrainer der Schwarz-Gelben gerade, sei die Anspannung bei ihm einen Tag oder zwei Tage vor einem Match größer als am Spieltag selbst. Schließlich seien die Entscheidungen da in aller Regel getroffen, die eigene Arbeit erledigt. Zumindest die inhaltliche.

Anders ist die Lage auf der emotionalen Ebene. Speziell an diesem Samstag, an dem die Dortmunder mal wieder Bundesliga-Geschichte schreiben können. Ein letzter Sieg fehlt ihnen noch, um die Bayern nach deren zehn Jahre währender Titelregentschaft endgültig vom Meister-Sockel zu stürzen. Ein Ausblick, der die ganze Stadt, den gesamten Verein eine Woche lang in bebende Vorfreude versetzt hat. Und in eine Situation, in der Terzic betont: „Es geht gerade null komma null darum, was ich fühle. Sondern darum, was ich der Mannschaft geben kann.“ Gemeinsam mit seinem Trainerteam versuche er einfach dafür zu sorgen, „mit einem richtig guten Gefühl“ in das Duell mit den 05ern zu gehen. Denn: „Wir sind noch nicht fertig – aber bereit.“

Mit einem schwarzen BVB-Käppi saß Terzic in dem Moment auf dem Podium, sprach über das bislang „auf jeden Fall schönste Spiel“ seiner Trainerkarriere, über die Stärken der Mainzer, die frische Vertragsverlängerung von Innenverteidiger Mats Hummels – und über Sebastien Haller. Den ivorisch-französischen Angreifer, bei dem im vergangenen Sommer während des Trainingslagers der Westfalen in Bad Ragaz Hodenkrebs diagnostiziert wurde. Der sich anschließend durch Chemotherapien kämpfte, im Januar zurückmeldete, nun als das Symbol für die sagenhafte Rückrunde der Dortmunder gilt – und deren aktuelles Lebensgefühl genau auf den Punkt bringt.

„Es ist wichtig, dass wir auch unseren letzten Gegner genauso respektieren wie die vorherigen. Der Schlüssel dafür ist, dass wir demütig bleiben, weil wir momentan noch gar nichts erreicht haben“, betont Haller, der diese Saison zu „etwas Unvergesslichem“ machen will – und deshalb seine finale Rezeptur präsentiert: „Wir müssen noch ein letztes Mal kochen, unseren Job zu Ende bringen. Und dafür haben wir alle Zutaten.“

Ein Bestandteil des schwarz-gelben Kochbuchs ist, dass pekuniäre Fragen längst geklärt sind und in der zurückliegenden Woche nicht für störende Nebengeräusche sorgen konnten. So soll auf die Mannschaft eine Meisterprämie von insgesamt rund sechs Millionen Euro warten. „Es ist gut, so was am Anfang der Saison wegzuarbeiten. Deshalb war das kein Thema in den vergangenen Tagen“, vermeldete Sportdirektor Sebastian Kehl, der auch die Tage nach dem 3:0-Sieg vom Sonntag in Augsburg, mit dem der BVB die Bayern im Tableau überholte, mit einem klaren Plan anging: So richtete er am Montag noch einmal das Wort an die Mannschaft, wickelte bis Dienstag alle organisatorischen Dingen rund um das Saisonfinale ab – „um die Fokussierung danach klar auf Samstag zu legen“.

Mit der außergewöhnlichen Situation so normal wie möglich umzugehen, lautete die Maxime der Dortmunder – für die es seit Monaten auch zum Normalfall geworden ist, Heimspiele zu gewinnen. Bei 14 seiner bislang 16 Partien im 81000 Zuschauer fassenden schwarz-gelben Fußballtempel ging Terzics Ensemble als Sieger vom Platz. Die beiden nicht gewonnenen Partien gegen Aufsteiger Bremen (2:3) im August und den amtierenden Meister München (2:2) Anfang Oktober liegen weit zurück.

Dieser Heimstärke ist sich auch der zuständige Übungsleiter bewusst. „Die Mainzer haben eine der fittesten Mannschaften in der Bundesliga, spielen sehr erwachsen und sehr körperbetont, führen extrem viele Zweikämpfe. Das wird eine schwierige Aufgabe für uns, das wissen wir. Aber es ist auch nicht das Angenehmste, nach Dortmund zu kommen und bei uns ein Auswärtsspiel zu bestreiten“, nennt Edin Terzic die Faktenlage vor dem seit Wochen ausverkauften Duell, für das in den letzten Tagen mehr als 300000 Ticketanfragen und 800 Akkreditierungsanträge von Medienvertretern beim BVB eingingen.

„Wir haben uns in eine Situation gebracht, die sehr viel Euphorie ausgelöst hat. Das ist genau das, was wir wollten“, kommentiert Coach Terzic, dessen Freunde bereits vor Monaten nach Karten für den saisonalen Showdown anfragten und entsprechend versorgt sind. „Sie glauben schon sehr lange an mich“, erläutert der 40-Jährige das Grundvertrauen der Kumpels in seine Fähigkeiten – und beschreibt dann die Haltung, mit der er den letzten Schritt hinauf auf den nationalen Fußball-Olymp gehen will.

„Auch wenn es eine besondere Woche ist, ist der Schlüssel, dass man nichts Besonderes tut“, sagt Edin Terzic und fügt hinzu: „Es geht darum, einfach mal auszublenden, wo man steht und wann das Ganze stattfindet. Sondern warum das Ganze stattfindet.“ Ganz normal eben.