Bewegung im Humboldt Forum
Auf dem Vorplatz wird noch gepflastert, und gegenüber dem Eingang wächst nur langsam das Einheitsdenkmal aus dem geschichtsträchtigen Boden. Die Frage stellt sich immer mal wieder, wenn man vor dem Riesenbau steht: Wem gehört eigentlich das Humboldt Forum?
Der Förderverein Berliner Schloss hat über 100 Millionen Euro Spenden für den Wiederaufbau der preußischen Fassaden zusammengebracht und geriert sich als eine Art ideeller Eigentümer und Hüter heiliger Tradition. Der Verein verweigert nach wie vor die Herausgabe der Spendernamen, obwohl begründeter Verdacht besteht, dass Anhänger rechtsextremer Ansichten darunter sind.
Großer historischer Ballast
In diesem Zusammenhang wurde die Ehrentafel für Ehrhardt Bödecker, einen verstorbenen Großspender des Humboldt Forums, der sich antisemitisch geäußert hatte, im Gebäude entfernt. Der reaktionäre Schlossverein mit dem Geschäftsführer Wilhelm von Boddien und dem Vorsitzenden Richard Schröder mauert und beschimpft Kritiker. Sein „Berliner Extrablatt“ darf im Foyer des Humboldt Forum nicht verteilt werden.
Es geht manches voran. Am 17. September werden in der dritten und vierten Etage des Humboldt Forums weitere Ausstellungsbereiche eröffnet. Sie sind der amerikanischen Hemisphäre und Zentralasien gewidmet. Auf dem Papier komplettieren sich drei Jahre nach Alexander von Humboldts 250. Geburtstag damit die Sammlungen.
Nach seinem inneren Verständnis ist das Humboldt Forum trotz Kreuz und Kuppel und all dem historischen Ballast ein work in progress, ein offenes Haus, eine lernende Institution. Die jüngst eröffnete Sonderausstellung „Songlines“ zeigt das mit eindrucksvoller Deutlichkeit. Hartmut Dorgerloh, Generalintendant des Humboldt Forums, hat sie aus Canberra, der Hauptstadt Australiens, übernommen. Dort wurde das Projekt von Mitgliedern indigener Communities entwickelt.
Die Präsentation der Kunstwerke und die Darstellung der Kultur der Aborigines stehen im Kontrast zur traditionellen Darstellungsweise in den Sammlungen der Staatlichen Museen. Besucht man nun beide „Australien“, wird der Unterschied spürbar. Und die Frage, wem das Forum gehört, bezieht sich sogleich auf Herkunft und Erwerb der Stücke des Ethnologischen Museums.
Berlin ist spät dran mit Dekolonisierung
Dekolonisierung ist keine einfache Übung. In Berlin wurde spät damit begonnen. Dabei bieten sich hier so viele Möglichkeiten. Die Ausstellung über Paul Gauguin und seinen kolonialen Hintergrund in der Alten Nationalgalerie, daneben das Brücke-Museum mit der durchaus schmerzhaften Recherche „Kirchner und Nolde. Expressionismus und Kolonialismus“ – zusammen mit den Südsee-Artefakten aus der deutschen Kaiserzeit im Humboldt Forum hätte eine exemplarische, umfassende Geschichtsschau entstehen können. Die Berliner Institutionen haben nicht gelernt, die großen Themen gemeinsam anzugehen. Das ist schon unter dem Dach des Humboldt Forums nicht einfach.
Mit Baukosten von gut 680 Millionen Euro ist das Humboldt Forum ein öffentlicher Bau des Bundes und des Landes Berlin. Größer geht es hierzulande kaum. An diesem Donnerstag formiert sich der neue Stiftungsrat mit der neuen Vorsitzenden Claudia Roth und fünfzehn Mitgliedern. Die grüne Staatsministerin für Kultur und Medien hat mehrfach angekündigt, auch im Gespräch mit dem Tagesspiegel, dass sie sich intensiv um das Escheinungsbild des Humboldt Forums kümmern wolle. „Also, da will ich ran“, sagte sie in Bezug auf das Kreuz auf die Kuppel, und zur Spendenaffäre meinte sie: „Es muss transparent werden, anders geht es nicht.“ Bei den Staatlichen Museen müsse der Reformprozess vorangetrieben werden, wie es so schön heißt.
Im Humboldt Forum treffen all die Fragen und Komplexe aufeinander. Es ist ein Kulminationspunkt des Kulturbetriebs, inhaltlich wie organisatorisch. Das Humboldt Forum hat allerdings noch immer kein Budget für das kommende Jahr. Außerdem sind Teile des wilhelminischen Fassadenschmucks – von Architekt Franco Stella vorgesehen – noch nicht aufgestellt. Auch da gibt es Diskussionsbedarf.