Benetton-Fotograf Toscani ist tot: Mode, Provokation und Verzweiflung

Seine große Zeit waren die achtziger und neunziger Jahre, also lange her, und doch hat man sie sofort vor Augen: die Fotos, die Oliviero Toscani für die Werbekampagnen der italienischen Modemarke Benetton aufnahm. Das weiße Baby, das an der Brust einer schwarzen Frau gestillt wird, die kopulierenden Pferde, das eine ein schwarzer Hengst, das andere eine weiße Stute, oder der schreiende, blutverschmierte, noch an der Nabelschnur hängende Säugling.

Die Werbeplakate standen in einem krassen Gegensatz zu den braven Benetton-Klamotten in ihren für die achtziger Jahre typisch bunt-plakativen Farben, und nur der Schriftzug „United Colors of Benetton“ wies auf die Marke hin. Toscani wollte provozieren, wollte mit seinen Werbefotos gleichermaßen schockieren wie aufrütteln, „shockvertising“ war seine Begriffsprägung dafür.

Später verwandte er für die Werbekampagnen auch Pressefotos, zum Beispiel des sterbenden Aids-Aktivisten David Kirby, die Aufnahme eines nackten Hinterns mit dem Stempelaufdruck „H.I.V. positive“ oder die von der blutverschmierten Kleidung eines kroatischen Kämpfers, der 1994 in den Jugoslawienkriegen ums Leben kam.

 Ich bin nicht zynisch, ich suche neue Ausdrucksmittel.

Oliverio Toscani, Werbefotograf

Manche von Toscanis Kampagnen wurden in Deutschland vom Bundesgerichtshof verboten; häufig wurde auch diskutiert, ob seine den Rassismus thematisierenden, sich als antirassistisch verstehenden Aufnahmen nicht selbst rassistisch seien. Er selbst bezeichnete in dem Buch „Die Werbung ist ein lächelndes Aas“ seine Arbeitsweise so: „Ich bin nicht zynisch, ich suche neue Ausdrucksmittel.“

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Geboren 1942 als Sohn eines Fotoreporters des „Corriere della Sera“, studierte Toscani Fotografie und Grafik an der Kunstgewerbeschule in Zürich und arbeitete zunächst für Modemagazine wie „Elle“ und „Vogue“. Erstmals Aufmerksamkeit erregte er Anfang der siebziger Jahre. Für die Kappa-Jeansmarke „Jesus Jeans“ entwarf er ein Plakat, auf dem nur ein weibliches Hinterteil in einer viel zu engen Jeans zu sehen war und darunter der Bibelspruch „Wer mich liebt, der folgt mir“.

Das war gewissermaßen der Auftakt zu seiner Karriere bei Benetton, die 2000 endete, nachdem er sich wegen einer Kampagne mit Aufnahmen von zu Tode verurteilten US-Häftlingen mit dem Firmengründer Luciano Benetton überworfen hatte. Toscani arbeitete weiter als Fotograf, polarisierte etwa mit dem Foto einer Magersüchtigen, und kehrte 2017 auch noch einmal zu Benetton zurück. Nun ist Oliverio Toscani im toskanischen Cecina gestorben. Er wurde 82 Jahre alt.