Baut um, baut auf!: Nachhaltige Baulösungen sind altbekannte Lösungen

Um- und Weiterbauen ist das Gesetz der Zukunft, da mögen schicke Neubauten noch so sehr die Architekturmagazine beherrschen. Vor mir liegt ein Buch, das zeigt: Diese Weiterverwendung des Gebauten hat eine Geschichte nicht nur in fernen Vergangenheiten, der wir viele heute feine Fachwerkhäuser verdanken, die einst nur bessere Hütten waren. Es ist auch eine Geschichte der Moderne.

Markus Jager, Professor für Architekturgeschichte an der Uni Hannover, hat eine Publikation von 1932 ausgegraben, die damals hymnisch gefeiert wurde, aber lange vergessen war: „Umbau“ von Konstanty Gutschow und Hermann Zippel. Der Hamburger Dölling und Galitz Verlag hat das Buch neu und von Jager vorzüglich kommentiert herausgebracht (115 Seiten, 30 Euro). Danke dafür.

Umbauen statt neu bauen

Gutschow spielte in der Nazi-Zeit eine üble Rolle unter anderem bei den Wiederaufbauplanungen für Hamburg, er erhielt trotzdem 1964 in Nordrhein-Westfalen den Professorentitel. Zippel arbeitete bis 1980 als freier Ingenieur. Ganz zu Beginn ihrer Karrieren aber haben sie einen reich und überaus modernistisch illustrierten Katalog der Nachhaltigkeit entwickelt, von Fassadenänderungen über Ladenein- und Wohnhausumbauten bis zu Aufstockungen mit seitlich vor die Fassaden gestellten Stahlgerüsten. Eine Lösung, die auch heute noch hochinteressant ist, etwa um konstruktiv schwächliche Wohnhäuser zu erweitern.

Selbstverständlich war nicht von Klimawandel die Rede – obwohl die Ölkonzerne schon in dieser Zeit die katastrophalen Folgen des Verbrauchs von fossilen Brennstoffen erforschten. Dafür wird viel geschrieben über Ökonomie, Effizienz und Brauchbarkeit. Vor allem wird klar: Die klassische Moderne mit ihrer Liebe zu perfekt polierten Fassaden, auch die „Berliner Moderne“, war wesentlich eine Kultur des Umbaus.

Das begann oft mit der ästhetisierenden Abstraktion von Fassaden – vor einigen Jahren beschäftigte sich Hans Georg Hiller von Gaertringen in einem mit „Schnörkellos“ betitelten, ebenfalls höchst lesenswerten Band über die „Bau und Kunstdenkmäler Berlins“ mit dieser Modernisierung durch die Zerstörung historistischer Dekore.

Bei Gutschow und Zippel erfahren wir auch von den Methoden der Restaurierung, von Wohnungsaufteilungen, der Umgestaltung durch dramatisch angebrachte Lichtreklamen oder stromlinienförmig gestreckte Balkone, etwa am Chrysler-Haus.

Erstaunlicherweise fehlt Erich Mendelssohns legendärer, in den 1990ern etwas unbeholfen rekonstruierter Umbau des Mosse-Hauses. Dafür wird das modernistisch geschwungene, aus einem Umbau entstandene Telschow-Haus gezeigt. Man hat es ihm nicht angesehen, wie so viele Umbauten ästhetisch als Neubauten erschienen sind. Die einflussreiche Deutsche Bauzeitung schrieb damals in ihrer Rezension von „Umbau“: Dieses wertvolle Buch muss jeder Baugestalter unbedingt in seiner Bücherei haben.“ Stimmt.