Auf der Suche nach dem viereckigen Stein

Wo kämen wir hin, wenn jeder sagte, wo kämen wir hin, und keiner ginge mal nachsehen, wo man hinkäme, wenn man hinginge“, hat der schlaue Schweizer Philosoph Kurt Marti einmal gesagt. Ein toller, ganz schön verknoteter Satz. Der Wal Beaufort bringt es knapper auf den Punkt: „Nur wer sagt, ich kann nicht, der kann auch nicht.“ Beauforts Freund, der Pinguin Humboldt, geht jedenfalls mal nachsehen, als die anderen (Humboldt-)Pinguine ihn auslachen, weil er seiner Steinesammlung unbedingt einen eckigen Stein hinzufügen will. Humboldt? Genau, der große Namensvetter ist natürlich der wissbegierige Globetrotter und Forscher Alexander von Humboldt.

Er hat von einem geträumt, also muss es sowas auch in Wirklichkeit geben. Viereckige Steine? Vergiss es, meinen die Antarktika-Bewohner auf ihren Eisschollen. Lediglich der Wal, ein erfahrener Globetrotter, ist sich da nicht so sicher. Und obwohl es natürlich Wahnsinn ist, ausgerechnet auf so einem rutschigen Giganten ans andere Ende der Welt zu schippern, klettert Humboldt über die Flossen-Gangway auf den Rücken des Riesensäugers. „Nur wer sagt, ich kann nicht…“

Die Bilder zur Geschichte von Michael Engler stammen von der ungarischen Grafikdesignerin Susan Batori. Die Illustratorin hat es faustdick hinter den Ohren, wenn sie Humboldt einen Schneemann bauen lässt (mit Stein-Augen natürlich), ihn mit schütterem, aber wild wehendem Haarpuschel ausstattet, mit kleinem Gesicht und eng zusammengeschobenen, rollenden Augen. Wenige Striche nur, und die so wendigen wie korpulenten Pinguine blicken verblüfft, verträumt, verzückt oder gekränkt drein. Und wenn Humboldt doch einmal mutlos wird, lässt er nicht nur die Pinguinflügel hängen, sondern auch sein Schnabel krümmt sich verzagt.

[Michael Engler, Susan Batori: Humboldt und Beaufort. Bastei Lübbe/Boje, Köln 2021. 32 Seiten, 14,90 €. Ab vier Jahre]

Auch bei Beaufort drängt sich der Eindruck eines gewitzten Zeitgenossen auf, schon weil in seinem winzigem Gesichtsfeld auf dem enormen tiefblauen Leib zarte rote Wangen leuchten, wie bei den Pinguinen. Seine Schwanzflosse weist erstaunliche Ähnlichkeiten mit einer Flügelschraube auf. Im Hafen der großen Stadt – sieht nach New York aus, mit einer Skyline voller kantiger Stein-Ungetüme – parkt er rückwärts neben den Containerschiffen ein.

Die New Yorker laufen mit “Shop-Ping”-Tüten herum, ist ja logisch

Ein Pinguin in Manhattan? Auf den Straßen wimmelt es von Menschen mit pieksigen Beinen, pinkelnden Hunden und „Shop-Ping“-Tüten, als sei auch das der Großstadttrubel ein einziger Pinguin-Traum.

Und der eckige Stein? Wird hier nicht verraten. Nur so viel, dass man für solche Schätze nicht in die Sterne gucken darf, sondern dahin, wo sonst keiner sucht, so ungefähr Richtung Gulli. Auf dem Heimweg in die Antarktis hat der gesprächige Wal dann freie Rede-Bahn, denn Humboldt muss seinen kostbaren Fund im Schnabel festhalten…
Übrigens, Ende September begeben sich die beiden schon wieder auf Abenteuerreise. Im zweiten Band von Batori und Engler tauchen sie ab in die Tiefsee.