Am Schauplatz der Verbrechen erklingt Musik

An die Shoah müsse jede Generation erneut und anders erinnern, sagt Komponist Marc Sinan, „Gleißendes Licht“ sei sein Beitrag dazu. Dafür schafft der deutsch-türkisch-armenische Musiker ein Werk über Städte- und Ländergrenzen hinweg. Am 29. September (20 Uhr) können Zuschauende im Volkshaus Jena die Zusammenführung von musikalischen Beiträgen aus Buchenwald, Berlin, Tel Aviv und vor Ort aus Jena erleben. Gleichzeitig wird das Programm auch im Deutschlandfunk Kultur übertragen.

An einem Schauplatz der Verbrechen der Nationalsozialisten, der Gedenkstätte des ehemaligen KZ Buchenwald singt der Knabenchor der Jenaer Philharmonie begleitet von der Staatskapelle Weimar. Das wird im Volkshaus zusammengefügt mit den Jenaer Philharmonikern, dem Solist:innen-Ensemble AuditvVokal Dresden und vier Sänger:innen.

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Musikalische Begleitung kommt außerdem aus Berlin: Pianist Michael Wendeberg spielt auf dem Bebelplatz, wo am 10. Mai 1933 die Bücher von Oppositionellen und jüdischen Autor:innen verbrannt wurden, Kompositionen von Sinan, Mozart und Schumann.

Die Schalte wird ergänzt von der israelischen Schauspielerin Hadar Dimand, die in Tel Aviv Texte der Shoah-Überlebenden Batsheva Dagan rezitieret. Die als Izabella Rubinsztajn geborene Dagan verfasste 1945 einen offenen Brief an die vor Gericht stehenden Täter:innen. Später arbeitete sie Psychologin und entwickelte pädagogische Wege, mit Kindern über die Shoah zu sprechen. Dagan ist bis heute als Zeitzeugin aktiv, sprach zuletzt im Januar 2020 auf der Gedenkfeier zum 75. Jahrestags der Befreiung des Lagers in Auschwitz.

Marc Sinan will auch Gedanken an Rache Raum geben

Mit „Gleißendes Licht“ will Marc Sinan gewaltfrei erinnern, aber auch der Rache, die manche Überlebende wie Dagan sich wünschten, Raum geben. Aus dem Schluss des Briefes, in dem es heißt, „wir verurteilen Sie zu leben und zu leiden, wie wir es taten und niemals wieder sollen Sie das Licht der Freiheit sehen“, rührt wohl auch der Titel.

Hell und strahlend leuchtet die Freiheit, doch die Schatten von Hass und Hetze sind auch im heutigen Deutschland noch zu spüren. „Gleißendes Licht“ wird im Volkshaus ergänzt durch Peteris Vasks’ „Tele gaisma“ („Fernes Licht“).

Auf das Konzert folgt eine weitere Inszenierung von Marc Sinan. Ende Oktober und Anfang November wird „Manifest(o)“ in Jena und Nürnberg aus sieben Städten übertragen. Auch hier schreckt der Komponist nicht vor schweren Themen zurück und beschäftigt sich musikalisch mit dem Terror des NSU.

Sinans Familie selbst ist zwar weder durch die Shoah noch den NSU gezeichnet, durch die NS-Kriegskindheit seines Vaters mit der Zerstörung der Familie sowie die Armuts- und Migrationsbiografie der Mutter. Marc Sinans Großmutter überlebte als Waisenkind zudem den Genozid an den Armenier:innen. Diese Vergangenheit veranlasst ihn, Trauma, Wut, Vergeltung und Gerechtigkeit in seiner Kunst zu thematisieren.