Der 1. FC Union will den psychologischen Vorteil nutzen

Normalerweise ist Robin Knoche vor allem für das Verhindern von Treffern zuständig, in der spielfreien Woche zeigte er aber, dass er durchaus zielsicher ist. Als die Spieler des 1. FC Union nach dem 3:1-Sieg gegen Werder Bremen und zwei freien Tagen das Training wiederaufnahmen, stand unter der Köpenicker Sonne der Spaß im Vordergrund. Es gab kleine Geschicklichkeitsspiele und der 28 Jahre alte Innenverteidiger platzierte den Ball in einem davon sachte im hinteren von sechs Ringen, die in Form einer Pyramide auf dem Rasen lagen. „Gut Robin“, rief Athletiktrainer Martin Krüger.

Das Lob könnte man problemlos von der kleinen Übung auf die gesamte Saison übertragen. Knoche erledigt seinen Job bei Union zu voller Zufriedenheit – unaufgeregt, solide, selten spektakulär, aber meist sehr effektiv. Von 3000 Pflichtspielminuten in dieser Saison hat er nur 17 verpasst. Zusammen mit Marvin Friedrich bildet er eines der stabilsten Innenverteidiger-Duos der Bundesliga und hat großen Anteil daran, dass nur Rasenballsport Leipzig, der VfL Wolfsburg und Bayer Leverkusen weniger Gegentreffer kassiert haben als die Berliner.

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Die sichere Defensive ist das Fundament des Erfolgs und vier Spieltage vor Saisonende hat Union immer noch gute Chancen auf die zweite Europapokalteilnahme der Vereinsgeschichte. Als Tabellenachter liegen die Berliner nur vier Tore hinter Borussia Mönchengladbach und vermutlich reicht Platz sieben bereits für die neue Conference League. „Wir wollen das Maximale herausholen und uns hoffentlich für das internationale Geschäft qualifizieren“, sagt Knoche. „Für uns wäre das ein großer Erfolg.“

Unions kommenden Gegner kennt er gut, 15 Jahre lang hat der gebürtige Braunschweiger in Wolfsburg gespielt, bevor er im vergangenen Sommer zu Union wechselte. Für die Niedersachsen geht es ebenfalls noch um Europa, doch anders als die Berliner hat Wolfsburg viel zu verlieren. Nach dem 27. Spieltag wies der VfL noch elf Punkte Vorsprung auf Rang fünf auf und die Champions-League-Teilnahme schien nur noch Formsache zu sein.

Wolfsburg schwächelte zuletzt

Drei Niederlagen aus vier Spielen später ist Borussia Dortmund nur noch zwei Punkte entfernt – und ein Sieg gegen Union am Samstag kommender Woche damit eigentlich Pflicht. „Der Druck liegt schon beim VfL. Das kann ein kleiner psychologischer Vorteil sein“, sagt Knoche. Allzu viel Nervenflattern erwartet er bei den alten Kollegen aber nicht. Gegen Ende der Saison sei es normal, dass man etwa zu verlieren habe. „Mit dem Druck muss man umgehen können.“

Zumal auch Union trotz des souverän gesicherten Klassenerhaltes nicht locker und leicht in die letzten Wochen der Saison geht. Gerade aufgrund der fehlenden Winterpause sei jede Möglichkeit zur Erholung willkommen – so wie in dieser spielfreien Woche. „Natürlich sollte trotzdem kein Spannungsverlust da sein, denn wir wollen oben dranbleiben“, sagt Knoche. „Wir müssen in Wolfsburg punkten, damit wir in Leverkusen ein Endspiel um einen internationalen Startplatz haben.“

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Der Zeitpunkt für das Aufeinandertreffen mit den Niedersachsen ist dabei recht günstig. In den vergangenen vier Spielen hat Wolfsburg zehn Gegentore kassiert, Trainer Oliver Glasner bemängelte nach dem 0:2 gegen Borussia Dortmund zu viele individuelle Fehler. Auf die Gedankenspiele, ob es ein Fehler des VfL gewesen sei, ihn ablösefrei gehen zu lassen, wollte sich Knoche dennoch nicht einlassen. Schließlich habe Wolfsburg die Erwartungen bisher ebenso übertroffen wie Union. Im Hinspiel Anfang Januar trennten sich beide Mannschaften 2:2 und mit einem Unentschieden könnten die Berliner nun sicherlich besser leben als der Gegner.

Auch wenn sich die Profis schon lange an den Anblick leerer Stadien gewöhnt haben, wird das Fehlen der Fans im kommenden Spiel besonders schmerzhaft für Knoche. Mehr als 200 Pflichtspiele hat er für die Profis des VfL bestritten, bevor sein Vertrag im Sommer nicht verlängert wurde. „Wenn man so lange bei einem Verein ist, verbindet das – und richtig Abschied nehmen konnte ich letztes Jahr nicht“, sagt Knoche. Auch bei seinem ersten Besuch als Gegner wird das Stadion leer sein, keine Freunde und Verwandten auf der Tribüne sitzen. „Das wäre schon was Besonderes gewesen.“