Felix Magath beginnt zu wirken
Dass Felix Magath grantig ist allein um des Grantigseins, das ist eine Behauptung, die sich leicht widerlegen lässt. Magath, der Trainer von Hertha BSC, kann auch anders; gnädig und ausgesprochen nachsichtig sein zum Beispiel. Das war er auch am Sonntagabend nach dem 2:0-Erfolg seiner Mannschaft gegen den VfB Stuttgart. Nachsichtig gegenüber dem Schiedsrichter.
Im Spiel selbst hatte er sich manches Mal über Felix Brych und seine Regelauslegung echauffiert, doch als Magath später explizit zu dessen Leistung befragt wurde, antwortete er: „Die Leistung des Schiedsrichters würde ich als gut bewerten, auch wenn ich nicht mit jedem Pfiff einverstanden war.“
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So viel Nachsicht brachte er seiner eigenen Mannschaft in der Nachbetrachtung des Spiels nicht entgegen. Magath klang erstaunlich nüchtern nach einem vom Publikum und den Spielern euphorisch gefeierten Erfolg im Abstiegskampf, nach einem sogenannten Big Point im Duell mit einem direkten Konkurrenten. „Ich weiß nicht, wer nach diesem Spiel euphorisch werden soll bei der Hertha“, sagte Magath in der Pressekonferenz und präsentierte eine lange Mängelliste.
Viel zu passiv sei seine Mannschaft gewesen, grantelte er. Nach der starken Anfangsphase, die nach seiner Einschätzung gerade mal fünf Minuten gedauert hatte, und dem frühen 1:0 durch Davie Selke habe man das Spiel „im Grunde dem Gegner übergeben“, klagte Magath, man habe den VfB quasi eingeladen mitzuspielen. „Letztendlich war das ein glücklicher Sieg gegen eine Mannschaft vom VfB, die hier die bessere war.“
Magaths Analyse deckte sich nicht unbedingt mit den Eindrücken der knapp 55.000 Zuschauer auf den Rängen. Die Anhänger des VfB hatten am Auftritt ihrer Mannschaft nämlich gar nichts gut gefunden, während die Fans der Berliner das Olympiastadion nach all den Monaten des Missvergnügens in einem Zustand seltener Glückseligkeit verließen. Die Perspektive, dass Hertha auch in der kommenden Saison weiterhin in der Fußball-Bundesliga vertreten sein wird, ist spätestens seit Sonntagabend keine weltfremde Utopie mehr.
Magath will verfrühter Gelassenheit vorbeugen
Warum Magath so kritisch mit seiner Mannschaft war, wird sein Geheimnis bleiben. Vielleicht stand er noch zu sehr unter dem Eindruck des Spiels, das erst durch das 2:0 von Ishak Belfodil in der dritten Minute der Nachspielzeit zugunsten Herthas entschieden worden war. Vielleicht – und das dürfte die realistischere Deutung sein – handelte es sich um Kalkül. Magath wollte wohl mit aller Macht verhindern, dass sich bei seiner Mannschaft so etwas wie verfrühte Gelassenheit breit macht.
Denn nach zwei Siegen hintereinander stellt sich die Situation für die Berliner ja tatsächlich fast schon komfortabel dar, deutlich freundlicher jedenfalls, als man das noch vor wenigen Wochen zu träumen gewagt hätte. Im günstigsten Fall steht der Klassenverbleib schon am kommenden Wochenende fest – dazu ist Hertha allerdings auf fremde Hilfe (des VfL Wolfsburg gegen den VfB Stuttgart) angewiesen. Doch zumindest den direkten Abstieg können die Berliner schon zwei Spieltage vor Schluss aus eigener Kraft verhindern – mit einem Sieg am Samstag bei Arminia Bielefeld.
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„Ich kann das nicht so wie Sie sehen“, sagte Magath zu solchen optimistischen Rechnungen. Er sieht immer noch die Gefahr, falls Hertha gegen den Tabellenvorletzten Bielefeld verlieren sollte: „Der Klassenerhalt ist nach wie vor gefährdet.“ Aber nicht nur die Tabellenkonstellation spricht inzwischen für Hertha, auch das Auftreten der Mannschaft unter dem neuen Trainer.
Felix Magath beginnt zu wirken. Von fünf Spielen unter seiner Regie hat Hertha drei gewonnen, und bei allen drei Siegen blieben die Berliner ohne Gegentor. Genauso oft ist ihnen das auch in den 26<TH>Saisonspielen vor Magath gelungen. „Hertha hat es defensiv gut gemacht“, sagte Pellegrino Matarazzo, der Trainer des VfB Stuttgart.
Die Basis stimmt bei Hertha BSC wieder
Die Basis stimmt: die Defensive, der Einsatz, die mannschaftliche Geschlossenheit. Alles Punkte, die Magath wichtig sind. „Man sieht, dass wir wieder eine Mannschaft sind. Das ist der eigentliche Grund, warum wir erfolgreich sind“, sagte Herthas Trainer. Nach Belfodils Treffer zum 2:0 rannte das ganze Team zum Torschützen, inklusive Torwart, Torwarttrainer und Zeugwart.
Das ist es, was Magath aus der Mannschaft herausgekitzelt hat. Und was für die letzten drei Spiele dieser nervenaufreibenden Saison Hoffnung macht. Die Spieler sehen es ähnlich. „In der Lage, in der wir sind, ist Felix Magath der Richtige für uns“, sagte Torhüter Marcel Lotka. „Mit ihm werden wir die Klasse halten.“