Dokumentarfilm über den Video-Pionier Nam June Paik: Als die Bilder Wellen schlugen

Seinen Ruf als Kulturterrorist hatte Nam June Paik (1932-2006) schnell weg. Auch der Dokumentarfilm „Moon is the oldest TV“ kokettiert damit. Gleich am Anfang von Amanda Kims Porträt ist der zierliche Koreaner zu sehen, wie er an der Leine eine Geige scheppernd hinter sich herzieht, als wäre sie ein Hund. In einer anderen Szene verbrennt er Bildschirme. Aus dem Off heißt es dazu, Paik sei der Vater der Video-Kunst gewesen, der Nostradamus unserer Gegenwart. Er habe 28 Sprachen gesprochen, aber keiner verstand ihn richtig. Ohne Künstlerklischees geht es nicht.
Die koreanisch-amerikanische Regisseurin, die ansonsten Pilot- und Markenfilme dreht, hat für ihren Film über den Videopionier zwar neues Bildmaterial aus der Frühzeit entdeckt, zahlreiche Wegbegleiter befragt – aus den bekannten Schubladen findet sie dennoch nicht heraus. Mit ihrem ersten abendfüllenden Dokumentarfilm begab sie sich nicht zuletzt auf die Suche nach ihren eigenen Wurzeln. Dabei fördert Amanda Kim zwar Interessantes über Paiks Herkunft zutage, warum er zum Beispiel als junger Mann sein Land verließ. Seine Person bleibt dennoch irrlichternd. Auch die vielen Talking Heads erklären ihn nicht.
Das ist schade, denn gerade in Zeiten der Bildüberflutung hätte man gerne gewusst, was der Mann uns heute zu sagen hat, der den schon damals anschwellenden Strom durch Magnetismus und elektronische Manipulation in künstlerische Bahnen umleitete. „Es ist die Aufgabe des Künstlers, über die Zukunft nachzudenken“, wird er einmal zitiert.
Seine berühmteste Skulptur: der TV-Buddha
1956 kommt der 24-jährige Musikwissenschaftler nach München, um Komposition zu studieren. „Dunkle Sehnsucht“ hört man ihn mit der Stimme des Schauspielers Steven Yeun gebrochen auf Deutsch sagen. Der Zauber des verschneiten englischen Gartens bewahrte ihn in seinem ersten Deutschland-Jahr vor Depressionen.
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Für ein hiesiges Publikum dürfte dagegen neu sein, unter welchen Bedingungen der Künstler in New York zunächst lebte. In sein Studio in der Mercer Street regnet es rein, einem Gönner dankt er überschwänglich für gerade mal zehn Dollar; zerknirscht schreibt er an Cage, dass er mit ihm auf ein falsches Pferd gesetzt habe. Als er seinen schärfsten Kritiker bei der New York Times, den Musikjournalisten Howard Klein, darum bittet, für ihn ein Wort bei der Rockefeller Foundation einzulegen, wendet sich das Blatt. Die beiden freunden sich an, zusammen mit Klein wird Paik wenige Jahre später seine Retrospektive im Whitney Museum eröffnen.
Paik hat es geschafft, sein Werk gewinnt Einfluss auf die Popkultur, seine vervielfältigten schlingernden Bilder tauchen auch in den Videoclips von David Bowie und den Talking Heads auf. Plötzlich gilt er als der Picasso, ja George Washington der Video-Kunst. 1984 lädt Südkorea den berühmt gewordenen Sohn in die alte Heimat ein, wo er Video-Türme aufbaut. Je mehr, je besser, kommentiert der Künstler seine monumentalen Installationen, die nun auf der ganzen Welt gefragt sind.