Die Berliner Fashion Week macht ernst: Mit dem Faltenrock ein bisschen die Welt retten

Wenn es ein exemplarisches Kleidungsstück auf der am Donnerstag zu Ende gegangenen Fashion Week gab, dann war es der Faltenrock. Von Männern und Frauen getragen, kurz und lang, mit traditionellen Schnallen wie beim Kilt oder wie Teil einer zu knappen Schuluniform aus einem alten Musikvideo von Britney Spears.

Die vielen Falten passen zu den Sorgen, die sich die Modewelt macht – über das was gerade in der Welt passiert, aber auch über die Auswirkungen auf die Modeindustrie. Und natürlich zu der auf jeder Fashion Week hervorgebrachten Behauptung, Berlin habe keine Modeszene, die so eine Veranstaltung rechtfertige. Da fragt man sich schon, wer da von Montag bis Donnerstag sorgfältig gestylt in der ersten Reihe all der Modenschauen saß.

Wie ein Geist sah dieses Model bei der Modenschau von GmbH im Palais am Funkturm aus. 

© Finnegan Koichi Godenschweger

Wahr ist, dass die Stadt sicher kein Modefieber mehr packt. Es werden auch nicht mehr plötzlich überall gut angezogene Menschen durch die Stadt laufen. Das erwarten Alteingesessene und Taxifahrer, wenn sie „Fashion Week“ hören, weil einst die Modemessen Bread & Butter und Premium zehntausende Besucher in die Stadt lockten.

Am Dienstagnachmittag auf dem Weg in der S-Bahn zur Schau des Berliner Labels Haderlump steigen am Treptower Park vor allem viele, von der Hitze des Tages, zerzaust und erschöpft aussehende Menschen aus dem Zug. Da sorgen die paar sorgfältig Zurechtgemachten, die für 37 Grad viel zu viel schwarz am Leib tragen und trotzdem unbeeindruckt aussehen, nicht mal für Irritation.

Die Welt befindet sich an einem Wendepunkt

In der alten Fabrikhalle fühlt man sich wie in einem Flashmob. Lauter Menschen, die aufgekratzt auf das erste Model warten, das die zwei raumhohen Quader umkreist, die mit Buchseiten bedeckt sind.

Auf denen steht die Botschaft an die Modegemeinschaft: „Die Welt befindet sich an einem Wendepunkt: Mode, einst ein Symbol des Ausdrucks und der Kreativität, wurde von Verschwendung, Überfluss und Ausbeutung gekapert. Fast Fashion überschwemmt unsere Feeds, unsere Straßen und unsere Mülldeponien – auf Veralterung ausgelegt, auf kaputten Systemen aufgebaut. Doch wir weigern uns, den Status quo zu akzeptieren.“

Cut-Outs in Kleidern sah man bei dieser Fashion Week nicht nur bei Laura Gerte.

© James Cochrane

Das hat auch die wachsende Gruppe der „Eigentlich“-Designer vor. Das sind diejenigen, die normalerweise in Paris, Mailand oder wenigstens in New York oder London ihre Kollektionen zeigen, aber in Berlin leben und arbeiten. Dazu gehören GmbH und zum ersten Mal auch die beiden Designerinnen von Ottolinger, die seit vielen Jahren Teil der Pariser Modewoche sind.

Unter dem Titel „Intervention“ zeigen sie ihre neueste Kollektion im Palais am Funkturm. Organisiert hat das Event die Agentur Reference Studios, die ihr Büro nicht nur in der Potsdamer Straße, sondern auch in Mailand und Paris hat.