Das Licht kehrt zurück
Nick Cave kann bedrohlich wirken. Die hochaufgeschossene Gestalt, die stechenden Augen unter den dichten Brauen, seine Texte über Tod, Gewalt und Teufel: Kein Wunder, dass er einen einschüchtert.
Um den Teufel geht es auch gleich eingangs der Dokumentation „This Much I Know To Be True“ – und zwar in Form von Keramik. In 18 Figuren hat der Musiker das Leben des Beelzebubs nachgestellt, wie er Regisseur Andrew Dominik in seiner Werkstatt zeigt. Er sei dem Ratschlag der britischen Regierung gefolgt und habe sich vom Touren auf andere Einnahmequelle verlegt.
Marianne Faithfull rezitiert ein Gedicht
Cave wirkt humorvoll, nahbar. Die Vertrautheit, die zwischen Musiker und Regisseur zu spüren ist, kommt nicht von Ungefähr. Vor 15 Jahren haben Cave und sein musikalischer Partner Warren Ellis den Soundtrack zu Dominiks Film „Die Ermordung des Jesse James durch den Feigling Robert Ford“ beigesteuert. 2016 folgt die Doku „One More Time With Feeling“, in der Cave sein Album „Skeleton Tree“ vorstellt und über den Verlust seines Sohnes Arthur spricht.
Der ist 2015 im Alter von 15 Jahren von einer Klippe gefallen. Cave gibt danach keine Interviews zum Unglück, sondern wählt die Zusammenarbeit mit Dominik, um sich der Öffentlichkeit zu stellen. Der Film zeigt, wie der Musiker und seine Band The Bad Seeds im Studio spielen, ein Großteil ist jedoch den Gesprächen mit dem Regisseur gewidmet.
Wenn Cave und Dominik mit „This Much I Know To Be True“ nun erneut eine Doku drehen, ist das Verhältnis umgedreht. Die Interviewpassagen nehmen weniger Raum ein, dafür zeigt der Film ausgiebig, wie Cave und Ellis zwölf Songs aus ihren jüngsten Alben „Ghosteen“ und „Carnage“ spielen.
Punktuell werden sie von Backing-Sänger:innen, einem Streichquartett und zwei weiteren Musikern begleitet. Marianne Faithfull, noch von ihrer überstandenen Corona-Infektion gezeichnet, rezitiert ein Gedicht von May Sarton.
[17. u. 19.2., 18 Uhr (Cubix 5 & 6)]
Die Sessions sind im Saal des Londoner Battersea Arts Centre aufgenommen, einem gewaltigen Raum, den Dominik in Szene zu setzen weiß. Die Kamera umkreist die Musiker:innen und zeigt dabei auch die rohen Wände, die noch Spuren eines Feuers von 2014 tragen. Der Regisseur hat gemeinsam mit Chris Scott das Lichtdesign erarbeitet.
Sie tauchen den Saal immer wieder in Finsternis und lassen sie von einzelnen Strahlern durchschneiden. Das Licht scheint auf Cave am Flügel herabzuströmen, dann wieder blitzen die Strahler im Takt der Akkorde.
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Er trägt wie immer Anzug, wiegt sich sacht zum brütenden Sound, während Ellis mit Geige am Hals umhertanzt wie ein Waldschrat. Wenn dann die Sänger:innen einsetzen, transportiert der Auftritt die Kraft des Gospel. „There is a kingdom in the sky“, singt Cave in „Lavender Fields“ – Balsam für geschundene Seelen.
So fühlt sich „This Much I Know To Be True“ an, als würde Regisseur Dominik einen leidgeprüften Freund aufsuchen, um zu sehen, wie es ihm nach all den schweren Jahren so ergeht. Glücklicher sei er jetzt, sagt Cave. Er könne der Welt wieder eine Bedeutung beimessen. Der Tod seines Sohnes kommt im Film nie direkt zur Sprache. Er durchzieht ihn dennoch.