Die BR Volleys drohen, ihr Herz zu verlieren
Wenn man Benjamin Patch und Sergej Grankin zusammen erlebt, ist ihnen sofort anzumerken, dass die zwischenmenschliche Chemie stimmt. Sie scherzen miteinander, tanzen ausgelassen zu Songs aus den 1970er Jahren und bei der Saisonabschlussfeier gab es für den russischen Zuspieler am Montag sogar eine kleine Show-Einlage von seinem US-amerikanischen Liebling. Der anfangs eher zurückhaltende Grankin ist durch Patch regelrecht aufgeblüht in Berlin, das freut besonders Volleys-Geschäftsführer Kaweh Niroomand, der von den beiden bei der Meisterfeier einen Schmatzer auf die linke und die rechte Wange erhielt.
Die Dreieckskonstellation droht nun aber zu zerbrechen, denn auf der Liste der Spieler, die ihre Verträge bei den BR Volleys erfüllen werden, fehlten sowohl Grankin als auch Patch. „Wir haben besprochen, dass wir erstmal Meister werden und danach darüber sprechen, wie es weitergeht“, sagte Niroomand. „Wir werden hoffentlich gute Gespräche führen, um das zu einem guten Ende zu bringen.“
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Patch hat seinen Vertrag erst im vergangenen Jahr bis 2024 verlängert, scheint nun allerdings über eine sportliche Pause nachzudenken. Grankins Vertrag läuft im kommenden Jahr aus, aber wegen des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ist nicht absehbar, ob er nach Russland zurückkehrt oder in Berlin bleibt. „Die Weltpolitik geht auch an uns nicht vorbei“, sagte Niroomand. „Die müssen wir berücksichtigen.“
Grankin selbst hat sich bisher nicht zu der politischen Situation geäußert, ein Teil seiner Familie lebt immer noch in Russland. Nur seine Frau und Tochter sind mittlerweile nach Berlin gekommen und wurden von Grankin beim großen Finale gegen Friedrichshafen in die Arme geschlossen. Beim Champions-League-Spiel in St. Petersburg im Februar reisten sogar einige aus seiner Dorfgemeinschaft an, um ihn zu unterstützen. Einer trug ein Trikot mit der Nummer sechs aus Grankins Zeit bei der Nationalmannschaft. Das gefiel Niroomand so gut, dass er prompt ein Volleys-Trikot mit der sechs bedrucken ließ und es ihm zuschickte.
Patch ist zum Gesicht des Vereins geworden
Für den Verein wäre es ein großer Verlust, wenn beide Führungsspieler gingen, denn auf ihren jeweiligen Positionen sind sie die wohl wertvollsten Spieler der gesamten Liga. Hinzu kommt, dass Patch zum Gesicht des Vereins geworden ist: Als erster offen queerer aktiver Profisportler in Deutschland stellt er für viele eine Identifikationsfigur dar und hat sich öffentlich immer wieder für Akzeptanz stark gemacht. Auch seine Leidenschaft fürs Töpfern und Fotografieren kommt bei den Fans gut an.
Einige positive Neuigkeiten gab es für Niroomand auf der Saisonabschlussfeier aber auch zu verkünden: So bleiben Trainer Cédric Énard und voraussichtlich sein gesamter Stab in Berlin. Für Énard ist es bereits seine fünfte Saison. Außerdem haben die Außenangreifer Ruben Schott, Timothée Carle und Cody Kessel sowie Libero Adam Kowalski ihre Verträge um zwei Jahre verlängert.
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Auch der langzeitverletzte Mittelblocker Anton Brehme, der in dieser Saison nicht eingesetzt werden konnte, wird die Mannschaft zukünftig wieder unterstützen und verzichtet deshalb im Sommer auf die Zeit bei der Nationalmannschaft, um wieder ganz fit zu werden.
Bei Matt West, Samuel Tuia und Jeffrey Jendryk sieht es so aus, als würden sie den Verein verlassen. Das überraschte kaum, sowohl West als auch Tuia erhielten in dieser Saison nur wenig Spielzeit.
Der argentinische Libero Santiago Danani, der bei Olympia Bronze gewann und in dieser Saison überragend spielte, hat sich bereits offiziell verabschiedet, er geht nach Polen. „Es ist schwer, diesen Mann in Berlin zu halten“, sagte Niroomand und versprach zugleich entsprechenden Ersatz. Das gilt wohl auch für Patch und Grankin – ob es Niroomand dennoch gelingt, wird sich in den kommenden Wochen zeigen.