Denn er weiß, was er tut

Mit 18 Jahren feiert Äneas Humm sein Operndebüt am Stadttheater Bremerhaven in Peter Maxwell Davies’ „Kommilitonen! Young Blood“ – gleich in seinem ersten Studiensemester an der Bremer Musikhochschule. Mit 22 geht es für zwei Jahre nach New York, wo er an der Juilliard School bei Edith Wiens seine Gesangsausbildung komplettiert. Zurück in Deutschland gelangt der Schweizer Bariton – geboren 1995 in Richterswil am Zürichsee – als Ensemblemitglied ans Nationaltheater Weimar. Dann aber kommt im Frühjahr 2020 der erste Lockdown und er wechselt in der noch laufenden Saison ans Badische Staatstheater Karlsruhe.

Aufgewachsen in einer schweizerisch- ungarischen Künstlerfamilie – der Vater ist Keramiker, der Onkel Schauspieler, der Großvater Bühnenbildner – wurde Äneas Humms Gesangstalent schon früh entdeckt und gefördert. Das Schweizer Fernsehen feierte den Hochbegabten als Wunderkind. Das Musikgymnasium in Feldkirch verlässt er ohne Abitur, weil er lieber Bach-Kantaten singt als sich mit Mathematik zu quälen.

Die Eltern erkennen seine Zielstrebigkeit

Äneas möchte Sänger werden, seine ungarische Gesangslehrerin Krisztina Laki bestärkt ihn darin und nimmt ihn in ihre Bremer Gesangsklasse auf. Und die Eltern lassen ihn guten Gewissens ziehen, weil sie seine Zielstrebigkeit erkennen. Dass seine kometenhafte Karriere durch die Pandemie erst einmal ausgebremst wurde, macht ihm keine Angst. „Über den ersten Lockdown freute ich mich, weil ich zuvor krank war und mich wegen des Konzertbetriebs nicht auskurieren konnte. Dann hatte ich endlich Zeit zu schlafen und meinem Körper diese wichtige Erholung zu gönnen“, sagt Äneas Humm rückblickend.

Er ist froh, als Karlsruher Ensemblemitglied im Gegensatz zu vielen freien Kolleginnen und Kollegen ein festes Einkommen zu haben, auch wenn er sich am Haus noch kaum zeigen konnte. Aber Humm fühlt sich wohl im fahrradfreundlichen Karlsruhe und im 24-köpfigen Opernensemble: „Wir haben eine stark frequentierte Chatgruppe und auch einen Stammtisch“. Außerdem schätzt er die sängerische Kompetenz der Operndirektorin Nicole Braunger. Jetzt freut sich der Bariton aber erst einmal auf sein Rollendebüt als Malatesta in Donizettis „Don Pasquale“ am 22. Januar.

Eine erstaunliche interpretatorische Reife

Mit dem Kunstlied hat Äneas Humm neben der Oper eine zweite große Leidenschaft. Auf seinem bereits zweiten Lieder-Album „Embrace“, das er mit der hawaiianischen Pianistin Renate Rohlfing mitten im zweiten Lockdown aufgenommen hat, zeigt der Schweizer bei eher unbekanntem Repertoire von Fanny Hensel, Franz Liszt, Viktor Ullmann und Edvard Grieg große interpretatorische Reife, erstklassige Textverständlichkeit und eine stimmliche Flexibilität, die staunen lässt (Rondeau Productions).

Da kann sich Humms weicher, warmer, perfekt geführter Bariton auch einmal zum metallischen Deklamieren härten wie in Liszts „Vergiftet sind meine Lieder“ oder am Ende von Griegs „Ein Traum“. Dass er mit dem Kunstlied auch neues Publikum erreichen möchte, zeigte sein Auftritt in der Karlsruher Hemingwaylounge im Herbst 2020 gemeinsam mit dem Pianisten Hartmut Höll. „Meine Liederabende moderiere ich immer. Das Publikum ist viel aufmerksamer, wenn man mit ihm spricht. Dass Sänger nicht gerne reden auf der Bühne, finde ich völlig unverständlich.“