Andreas Wellinger und der Bergisel: Locker auf die deutsche Schicksalsschanze

Auf dem Weg zum angepeilten Vierschanzentournee-Sieg muss Andreas Wellinger zunächst einmal die berüchtigte Schanze am Bergisel meistern. Nach der Qualifikation in Innsbruck am Dienstag ist klar: Es gibt noch deutlichen Verbesserungsbedarf für den Deutschen. Zumal sein Rivale Ryoyu Kobayashi aus Japan (Dritter) und Verfolger Stefan Kraft aus Österreich (Rang zwei) deutlich besser abschnitten. „Ich bin überzeugt davon, ich habe morgen mehr Glück“, sagte Wellinger mit Blick auf den wechselnden Wind.

An eine Schicksalsschanze glaubt Wellinger nicht. „Damit kann ich relativ wenig anfangen“, sagt der Hoffnungsträger vor dem dritten Tournee-Akt auf der berüchtigten Anlage. Die windanfällige Schanze, auf der unter anderen schon der gestürzte Richard Freitag, Karl Geiger und Markus Eisenbichler Tournee-Chancen verspielten, soll für Wellinger der vorletzte Schritt auf dem Weg zum ganz großen Triumph werden. „Ich freue mich. Ich mache mir nicht mehr Sorgen als sonst“, sagt der Spitzenreiter im Tournee-Ranking.

Beim großen Saisonhöhepunkt ist Wellingers Lockerheit greifbar. Er schreibt an den Schanzen entspannt Autogramme, macht Fotos mit Fans und scherzt mit Betreuern und Kollegen. Den Trubel um ihn als potenziellen Nachfolger des bis dato letzten deutschen Tournee-Champions Sven Hannawald nimmt er zwar deutlich wahr. Er stört ihn aber nicht. „Ich bin stolz, dass ich in der Situation sein darf“, sagt Wellinger. Wenn Zuschauer an der Schanze auch noch lange nach den Wettkämpfen während der Interviews euphorisch seinen Namen kreischen, winkt und lächelt er. Genervt ist er nicht.

Seine ereignisreiche Karriere hat ihn stärker gemacht. Wer wie er nach einem Olympiasieg einen Kreuzbandriss erleidet, sich jahrelang zurückkämpft und dann entgegen vieler Experteneinschätzungen den Weg zurück in die Weltspitze findet: Der glaubt an sich und lässt sich nicht so schnell aus dem Konzept bringen. „Ich habe die letzten Jahre gelernt, dass ich mir den Druck nur selbst machen kann“, sagt Wellinger.

Als „Kreuzbandzimmer“ bezeichnet Kumpel Leyhe das Doppelzimmer der beiden scherzhaft, weil beide die Knieverletzung schon überstanden haben. Wellinger albere mit ihm rum, verhalte sich auch während der Tournee wie immer, sagt Leyhe. 1,8 Punkte, umgerechnet ein Meter, liegt Wellinger zur Halbzeit vor Kobayashi. „Es ist geil, wenn man in der Gesamtwertung führt. Aber am Ende wird abgerechnet“, sagt er. „Die Kunst ist, sich bis zum letzten Sprung die wenigsten Fehler von allen zu erlauben.“

Wie Wellinger lässt sich auch Bundestrainer Stefan Horngacher von den jüngsten deutschen Tournee-Geschichten in Innsbruck nicht beeindrucken. „Der Bergisel macht uns gar nichts aus“, sagte er. „Wir trainieren viel dort – speziell der Andi, der in der Nähe wohnt.“ Wellingers Heimatort Ruhpolding ist weniger als zwei Autostunden von Innsbruck entfernt. Von einer Schicksalsschanze will der 54 Jahre alte Horngacher nichts wissen: „Eine Schicksalsschanze ist eine jede. Überall, wo du Fehler machst, verlierst du Punkte.“