25 Jahre Young Euro Classic: Nelken für die neue Welt
Aufstehen und Einstehen für eine demokratisch bestimmte Zukunft, das tun die jungen Musiker des Jovem Orquestra Potuguesa zur Eröffnung des diesjährigen Young Euro Classic Festivals nicht nur im übertragenden Sinne. Ihre Zugabe – Grândola, Vila Morena – gemahnt an den politischen Umsturz des Jahres 1974. Die Radioübertragung des Soundracks der gemeinhin als „Nelkenrevolution“ bezeichneten Ereignisse in Portugal, diente am 24. April als vereinbartes Zeichen zu ebenjener Erhebung, deren Wellen die Diktatur des Salazar-Regimes hinwegfegen sollte.
Referenziell haben sich die jungen Portugieser passend des Schuhwerks wie Notenmaterials entledigt, als sie mit roten Nelken bewehrt die Bühne zu Antonín Dvořáks 9. Symphonie „Aus der Neuen Welt“ entern. Beachtlich hierbei: Der 50-minütige Schinken wird nicht nur auswendig, sondern auch im Stehen vorgetragen.
Nicht zuletzt „ersteht“ sich das Ensemble unter Pedro Carneiro die wohlverdienten Ovationen aufgrund eines hervorragenden technischen Niveaus, vielmehr noch durch das engagierte Musizieren, das die Musik scheinbar aus dem Moment entstehen lässt.
Offen bleibt dabei, inwiefern der Beiname der Komposition von 1893 programmatisch verstanden werden soll. Dvořák hatte das Stück als seinen Einstand als fürstlich entlohnter Kompositionslehrer in New York geschaffen – dabei versucht, reichlich amerikanische Folklore, beziehungsweise das, was er sich darunter vorstellte, einzubeziehen.
Die Symphonie ist dahingehend als doppelter Aufbruch zu verstehen, als dass hier, traditioneller Formung zum Trotz, ein Ausdrucksbedürfnis durchscheint, das sich alsbald in neuen Formen Bahn brechen sollte.
Dvořáks Entwicklung vom „specifischen Symphoniker“ zum „dichtenden Symphonist“ (Franz Liszt) spiegelt sich so wohl im Bestreben der jungen Generation – die Orchestermitglieder sind zwischen 14 und 24 Jahren alt –, einen Aufbruch, eine Erneuerung zu vollziehen. Letzterer dürfte sich nicht auf die Auseinandersetzung mit sinfonischem Standardrepertoire oder Konzertkultur beschränken.
Angedeutet hatte sich das schon in einer szenisch aufgepeppten Lesart von György Ligetis Poème Symphonique. Als Prolog zum aleatorischen Musizieren der 100 Metronome versuchten die Portugiesen zweimalig und vergeblich den „Aufschwung“ aus den Stühlen, als sagten sie: Wir wollen! Aber was denn eigentlich?
Dass erste Versuche aber auch gelingen können, hatte die Jungfernfahrt von Young Euro Classic vor genau 25 Jahren gezeigt. Eine Initiative, die sich als „kleiner Verein“, wie der Vorsitzende des Freundeskreises Dr. Willi Steul erklärt, seither als herausragende Bastion „bürgerschaftlichen Engagements“ etablieren konnte. Verdienstvoll ist das Festival nicht nur in Bezug auf internationale Verständigung, sondern auch, weil hier gerade die Stimmen junger Komponisten Gehör finden.
So feiert „Apneia“ des 29-jährigen João Caldas am Eröffnungsabend die deutsche Erstaufführung. Das Stück, das sich nahe an der Klangsprache der 1973 gegründeten Komponistengruppe L’Itinéraire (übersetzt „Der Weg“) orientiert, vermag mit hörenswertem Handwerk und stimmigen Instrumentationsideen – gerade zum Ende hin – durchaus zu gewinnen, auch wenn Caldas‘ eigener Weg innerhalb seiner Generation spektraler Komponisten noch vor ihm liegt. Die Bilanz des Festival-Auftakts jedenfalls: Beifallsstürme, ein Triumph!