Skulpturensammlung des Bode-Museums: Wilhelm von Bode, die Privatsammler und Monarchen

Vor gut einer Woche ging die große Ausstellung des Renaissance-Bildhauers Donatello in der Gemäldegalerie zu Ende. Die Ausstellung des als „Erfinder der Renaissance“ annoncierten Donatello rückte die Skulptur kurzzeitig ins Licht der Öffentlichkeit. Ansonsten findet die Plastik vergangener Jahrhunderte heute nicht mehr die Aufmerksamkeit, die ihr vor 100 oder gar 150 Jahren zuteil wurde. 

Zugespitzt formuliert, mangelt es der Gattung der Skulptur an Akzeptanz. Das war im 19. Jahrhundert, als die Berliner Bestände zusammengetragen wurden, fundamental anders. Es betrifft nicht zuletzt die Werke Donatellos, der, überspitzt gesagt, erst durch die Berliner Forschung zu jenem Renaissance-Begründer stilisiert wurde, als den ihn die Berliner Ausstellung herausgestellt hat.

Meist wird die Skulpturensammlung mit dem Namen Wilhelm von Bodes verbunden, der in der späten Kaiserzeit als „Direktor der Abteilung der Skulpturen der Christlichen Epochen“ amtierte und später zum Generaldirektor der Preußischen Museen aufstieg. Seine Verdienste als Wissenschaftler und nicht zuletzt sein Gespür für den Kunsthandel stehen außer Frage, aber es bedurfte des gesellschaftlichen Umfeldes, um derart wirken zu können.

Die Zeit Kaiser Wilhelms II. war eine Epoche der überall aufgestellten Denkmäler, und parallel wurden Werke der Vergangenheit als beispielgebend erworben. Aber es waren private Sammler, die Bode anregte zu kaufen, immer schon mit Blick auf mögliche Stiftungen an „sein“ Museum, das er 1904 an der Spitze der Museumsinsel errichten konnte und gerne „Renaissancemuseum“ getauft hätte – das heutige, nach ihm selbst benannte Bode-Museum, in dem die von ihm so geförderte Skulpturensammlung beheimatet ist.

Für diese Einbeziehung der Privatsammler – und ihres zur Kaiserzeit enorm anschwellenden Reichtums – war „entscheidend“, dass Bode „sie mit der Vorstellung zu gewinnen vermochte, die italienische Renaissance, besonders die Florentiner Frührenaissance, sei ein Gesellschafts- und Kulturmodell für ihre eigenen Identität“. So schreibt es der Berliner Kunsthistoriker Thomas W. Gaehtgens, zuletzt Direktor des Getty Research Institute, im Katalog der Donatello-Ausstellung.

Die großbürgerliche Sammelleidenschaft knüpfte freilich an die Anstrengungen Preußens und seiner Monarchen an, die seit Beginn des 19. Jahrhunderts den Aufbau der Museen betrieben. Die spätere Einbeziehung des wohlhabenden Großbürgertums bildet dann ein Moment des durchgehenden Wandels der höfischen zur bürgerlichen Kultur und Gesellschaft.

Zur Entstehung der Berliner Sammlung in den davor liegenden Jahrzehnten zwischen 1820 und 1870 ist jüngst eine umfassende Studie als „Beiheft“ zum Jahrbuch der Berliner Museen erschienen. Der Autor, der viele Jahre an der Skulpturensammlung tätige Volker Krahn, zeigt minuziös auf, wie im Zusammenspiel von preußischem Hof, Ministerialen, Museumsleuten sowie Agenten in Italien die Schätze zusammengetragen werden konnten.

„Einen wesentlichen Anteil an der Gründung der Sammlung neuzeitlicher Skulpturen“ – darauf weist Krohn hin – „hatte ein preußischer Diplomat jüdischer Herkunft, Jacob Salomon von Bartholdy, der ein Jahrzehnt als Generalkonsul in Rom tätig war.“ Die Sammlung wurde im Alten Museum gegenüber dem Schloss eingerichtet. Dieser 1830 eröffnete Programmbau von Karl Friedrich Schinkel „bot den idealen Rahmen für die Inszenierung plastischer Werke“.

Die Verwissenschaftlichung der Beschäftigung mit Kunst vollzog sich allmählich. Anfangs beruhte das Urteil über Original oder Fälschung ganz auf persönlicher Kenntnis und Erfahrung, um nicht zu sagen Geschmack. Gerade am Beispiel von Donatello wird deutlich, wie schwer die Unterscheidung fiel. So wurde ein Marmorrelief der Mutter mit Kind, die „Madonna Orlandini“, 1846 vom damaligen Museumsdirektor Waagen erworben und als teuerster Ankauf der Liste seiner Erwerbungen stolz vorangestellt.

Doch 40 Jahre später bezeichnete der nun als Autorität waltende Bode das Relief als Schülerarbeit, und seither gilt sie nur mehr als „Werk eines Epigonen“. Ein solches Urteil wurde allein möglich, weil Bode 1886 das unbestrittene Original von Donatellos Hand erwerben konnte, die „Madonna Pazzi“ von 1422. Sie ist ein, wenn nicht das Hauptstück der Berliner Bestände der Frührenaissance.

Doch das Fundament der Sammlung wurde in den Jahrzehnten vor Bode gelegt. Über deren Rang bereits in der Zeit um 1870 urteilt Krahn: „Anderenorts gab es, abgesehen von den Uffizien in Florenz, keine vergleichbare Museumssammlung.“ Sie ist seither durch Zu- und Abschrweibungen, durch Kriegsverluste und spätere Ergänzungen erheblich verändert worden. Heute genießt sie ihren angestammten Ruf und ist es wert, wieder stärker in die Aufmerksamkeit des Publikums zu rücken – auch und gerade nach dem Ende der spektakulären Donatello-Schau, die ohne die Leistungen des 19. Jahrhunderts nicht möglich gewesen wäre.

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