Ein tiefes Gespür für Menschlichkeit: Die Bilder von Noah Davis im Kunsthaus Minsk
Ankunft am Bahnhof in Potsdam. Wir wollen ins Kunsthaus Minsk. Nur, welcher Ausgang ist der Richtige? Wir fragen zwei ältere Damen. „Minsk? „Ach, Sie meinen das Terrassencafé. Gehen Sie dort entlang Richtung Friedrich-Engels-Straße.“
Das Terrassencafé gibt es schon lange nicht mehr. 1971 hatte es der Architekt Karl-Heinz Birkholz entworfen, doch die Ausführung sollte sich über Jahre hinziehen. Der Grund: Das Material war ausgegangen. Der Stahl wurde in der Hauptstadt der DDR gebraucht, für den Palast der Republik.
1977 endlich, pünktlich zum 60. Jahrestag der Oktoberrevolution in Russland, konnte das Café eröffnen. Die Architektur folgte nicht mehr dem zuvor beliebten stalinistischen Zuckerbäckerstil. Stattdessen wies sie den Weg in die DDR-Moderne.
Schnitzereien aus belarussischer Mooreiche
Der Name „Minsk“ ergab sich aus der Städtepartnerschaft, die Potsdam mit der belarussischen Hauptstadt verband. Und so wurde der Bau mit seinen zwei Etagen als Folkloregaststätte eingeweiht. Ziegelrote Verblendmauern mit einem rot-weißen Ornamentband aus glasiertem Mosaik.
Innen hingen Lampen aus Kupfer, an den Wänden waren Schnitzereien aus wertvoller belarussischer Mooreiche zu bestaunen. Der Garderobenbereich im Erdgeschoss war mit geflammtem Marmor verziert. Schnell avancierte das Minsk zum Hotspot von Potsdamern und auswärtigen Besuchern. Wer nicht rechtzeitig reservierte, hatte keine Chance auf einen der 190 Innen- und 120 Terrassenplätze. Auf der Speisekarte standen Würzfleisch, Ragout fin und Soljanka.
Im Jahr 2000 war Schluss. Der Betrieb rechnete sich angeblich nicht mehr. Danach verfiel der interessante Bau, man hatte ihn nicht einmal unter Denkmalschutz gestellt. Fenster wurden herausgerissen, Mosaiken entfernt, die Wände mit Graffiti beschmiert. Ein Trauerspiel.
Noah Davis’ Werke sind so beeindruckend wie berührend. Man braucht Zeit, um danach wieder in den Alltag zu tauchen. Beste Gelegenheit, um sich im Café Hedwig eine Pause zu gönnen.
Für die Terrassenplätze ist es jetzt zu spät im Jahr, aber hinaustreten ins Freie sollte man schon. Dann sieht man die Kuppel des neuen Stadtschlosses und links daneben das Hochhaus des ehemaligen Interhotels, heute Hotel Mercure.
Auch das ist ein Perspektivwechsel, der einen Besuch im „Minsk“ so wertvoll macht.