Münchener „Tatort“ im Knast: Wenn der Staat die Kontrolle verliert
Kann man im Gefängnis ein besserer Mensch werden? Dieter Scholz (Carlo Ljubek) gibt sich jedenfalls aufrichtig Mühe. Nach dem Ablauf seiner Haftstrafe will er ein guter Vater sein für seinen musikalisch hochbegabten Sohn. Ferdinand (Phileas Heyblom) möchte allerdings lieber bei den Pflegeeltern (Sarah Bauerett, Lasse Myhr) bleiben. Er mag dem Vater nicht mal ins Gesicht schauen, als der ihm als Freigänger im geliehenen Anzug nach einem Klavier-Konzert gratuliert. Scholz, der im Knast die japanische Ikigai-Lebensweise studierte, lässt sich davon nicht beirren und freut sich beschwingt auf die baldige Freiheit.
Der Münchener „Tatort“ zeigt mit der Gefängnis-Episode „Das Wunderkind“ (ARD, 4. Februar, 20.15 Uhr) seine harte und humorlose Seite. Denn die Vertreter des Staates haben im Knast die Kontrolle verloren – und sich damit abgefunden. Die Kommissare Ivo Batic (Miroslav Nemec), Franz Leitmayr (Udo Wachtveitl) und Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) richten im Gefängnis ihre Ermittlungszentrale ein, nachdem ein Häftling in der Dusche getötet wurde.
Das Opfer ist Roland Gumbert (Ralph Herforth), der Kopf einer der beiden rivalisierenden Gruppen im Knast. Als Täter kommen viele in Betracht – auch Dieter Scholz. Gumbert hatte ihn verprügelt, weil sich Scholz der kriminellen Zusammenarbeit verweigern wollte.
Außerdem deutete er an, Ferdinand Gewalt anzutun. So möchte man Scholz erst recht den Wandel zum Besseren wünschen, und so wirkt Leitmayr etwas unsympathisch, weil er Scholz aufgrund einer früheren Anzeige wegen Kindesmisshandlung misstraut – ein spannender Kniff, der die plakativ zugespitzte Darstellung des Gefängnis-Alltags und des Sorgerechtsstreits etwas aufwiegt.
Nebenbei erfährt man im siebtletzten „Tatort“ mit Wachtveitl und Nemec, die jüngst ihren Abschied nach der 100. Episode angekündigt hatten, dass Leitmayr selbst das Opfer eines gewalttätigen Vaters war.