Immaterielles Kulturerbe: Hebammen und Glasherstellung neu in der Unesco-Liste
Am Dienstag war bereits die Traditionelle Bewässerung in die Lister der Weltkulturorganisation aufgenommen worden, am Mittwoch kamen das Hebammenwesen und die Manuelle Glasherstellung hinzu. Alle drei gehören künftig zum Immateriellen Kulturerbe der Menschheit, wie die Deutsche Unesco-Kommission in Bonn mitteilte. Und an allen drei Anträgen war Deutschland beteiligt.
Der internationale Ausschuss tagt noch bis Samstag in Kasane in Botsuana. Insgesamt nahm die Kommission diesmal 45 Formen von überliefertem Wissen und Können in das Immaterielle Kulturerbe auf. Dazu zählen die Rikscha-Malerei in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesch, der italienische Operngesang und das muslimische Fastenbrechen Iftar, das von Aserbaidschan, dem Iran, der Türkei und Usbekistan nominiert worden war.
Das Traditionshandwerk der Manuellen Glasherstellung wurde von Finnland, Frankreich, Spanien, Tschechien und Ungarn gemeinsam mit Deutschland nominiert. Der Vizepräsident der Deutschen Unesco-Kommission, Christoph Wulf, sagte, das Handwerk zeichne sich durch eine beeindruckende schöpferische Kraft aus. „Die Gemeinschaft der Glasmacherinnen und Glasmacher bewahrt diese besondere Handwerkstradition mit einem beeindruckenden Engagement.“
Die Manuelle Glasfertigung widmet sich der Formgebung und Gestaltung von heißem wie kaltem Glas. Die ersten Glashütten in Deutschland, Frankreich und Spanien entstanden in vorchristlicher Zeit. Im frühen Mittelalter verlagerte sich die Herstellung in Regionen, die über große Holz- und Sandvorkommen verfügten, den damals wichtigsten Rohstoffen der Glasfertigung. So entstanden Hütten in Finnland, Tschechien und Ungarn.
Glas wird bei Temperaturen von weit über 1000 Grad Celsius geschmolzen und ist nur für kurze Zeit formbar. Mundgeblasenes Flachglas wird etwa für Restaurierungsarbeiten verwendet, aber auch in Architektur und Kunst. So haben etwa Marc Chagall, Gerhard Richter und Neo Rauch Werke mithilfe dieser traditionellen Handwerkskunst geschaffen.
Mit Blick auf das Hebammenwesen, das von Deutschland und weiteren sieben Staaten vorgeschlagen wurde, verwies die Unesco auf eine weltweite kulturelle Vielfalt, die sich in der Praxis widerspiegelt. „Das grundlegende Wissen und Können von Hebammen gleicht sich auf der ganzen Welt, weist aber je nach Erdteil viele regionale und kulturelle Besonderheiten auf.“ Ihre Fähigkeiten und ihr Wissen seien über Generationen hinweg bewahrt, weiterentwickelt und weitergegeben worden.
Mit Blick auf die Traditionelle Bewässerung betonte Wulf, sie leiste einen entscheidenden Beitrag dazu, die biologische Vielfalt der Kulturlandschaften zu erhalten. Bewässerungsgemeinschaften leiten nach Unesco-Angaben Wasser aus Flüssen und Kanälen auf Felder und Wiesen um. Dafür würden vorübergehend kleine Gräben ausgehoben, oder das Wasser werde aufgestaut, um künstliche Überläufe zu schaffen. „In Deutschland ist diese Form der Bewässerung unter anderem entlang der Flüsse Rednitz, Regnitz und Wiesent in Franken sowie im Gebiet der Queich in Rheinland-Pfalz bis heute lebendig“, hieß es.
Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Rund 700 Bräuche, darstellende Künste, Handwerkstechniken und Formen des Naturwissens aus aller Welt werden nach Unesco-Angaben derzeit auf diesen Listen geführt: zum Beispiel der Tango aus Argentinien und Uruguay, die traditionelle chinesische Medizin, Reggae aus Jamaika und die Praxis des Modernen Tanzes in Deutschland. (KNA)